Das neue Leitungsteam am Fletch Bizzel: Till Beckmann stammt aus Herne. Bekannt ist der Autor und Schauspieler auch durch die Auftritte mit seinen Geschwistern als Ensemble Spielkinder. Die Dramaturgin und Kulturmanagerin Cindy Jänicke ist gerade aus Flensburg nach Dortmund gezogen. Zuvor hat sie an vielen Orten in Deutschland und international Theater gemacht. Foto: Marcel Richard
03.02.2021

„Es geht um einen Generationswechsel“

Das Fletch Bizzel ist eine Institution der freien Theaterszene in Westfalen, und steht vor einem Neustart. Am 1. Februar haben der Theatermacher Till Beckmann und die Kulturmanagerin Cindy Jänicke die Leitung der traditionsreichen Dortmunder Spielstätte übernommen. Im Interview sprechen sie über die Zukunft des Theaters in ungewissen Zeiten.

Der Neustart eines Theaters fällt mitten in den Lockdown, wie fühlt sich das an?
Till Beckmann: Ein Neubeginn in diesen Zeiten ist schon aufregend. Positiv an dieser Situation ist, dass wir Ruhe haben, um zu überlegen und Pläne für das Theater zu schmieden. Das tut uns in dieser Phase gut. Auf der anderen Seite gibt es eine große Unsicherheit. Wir fahren auf Sicht und wissen nicht, ob wir im April tatsächlich die Eröffnung feiern können. Wir brennen darauf, das Publikum, die Akteure der lokalen Szene und überhaupt die Menschen in der Stadt kennenzulernen und uns auszutauschen. Das geht zurzeit nur bedingt.

Was haben Sie sich für das Theater vorgenommen?
Beckmann: Das Fletch Bizzel ist rund 40 Jahre alt und hat eine stetig gewachsene Fanbasis. Es gab im Umfeld immer ein großes Interesse daran, was im Theater passiert. Das hat mich wirklich beeindruckt. Ich sehe aber auch, dass einige Möglichkeiten noch gar nicht ausgeschöpft wurden. Ich wünsche mir zum Beispiel, dass wir stärker in die Stadt und auch in die äußeren Bezirke hineinwirken. Unser Anliegen ist es, die ganze Gesellschaft im Theater zu versammeln.

Was bedeutet das konkret?
Beckmann: Wir wollen, dass sich unser Programm nicht mehr nur an den sogenannten biodeutschen Bildungsbürger wendet, sondern auch ein internationales Publikum anspricht. Um das zu schaffen, suchen wir auch für Jobs gerade verstärkt Leute mit Einwanderungsgeschichte.
Cindy Jänicke: Ich bin vor einigen Wochen mit meiner Familie nach Dortmund gezogen und habe die Stadt als einen internationalen und vielfältigen Ort kennengelernt. Dass sich dies in Zukunft stärker im Fletch Bizzel widerspiegelt, ist mein persönliches Anliegen. Diversität ist mein Lebens- und Arbeitsthema. Ich plane nun zum Beispiel, mit einer syrischen Regisseurin aus Oberhausen zusammenzuarbeiten oder auch mit einem türkischen Choreographen, den ich aus der Schweiz kenne.

Was wird in Zukunft auf der Bühne passieren?
Jänicke: Ich möchte mit dem Tanz einen neuen Akzent im Programm setzen. Ich habe in den letzten Jahren an unterschiedlichen Orten Tanztheater produziert und Ensembles gemanagt. Bereits jetzt arbeiten wir eng mit der Streetart-Kompagnie Pottporus aus Herne zusammen. Daraus soll eine langfristige Zusammenarbeit entstehen, auch im Workshopbereich, wo wir gemeinsam mit Laien an Stücken arbeiten.
Beckmann: Das Thema Comedy hat immer eine wichtige Rolle im Fletch Bizzel gespielt. Das Theater galt als eine Kaderschmiede für Talente, mit dem Geierabend und dem Festival RuhrHOCHdeutsch haben sich zusätzliche erfolgreiche Formate etabliert. Daran wollen wir anknüpfen! Ich könnte mir vorstellen, dass wir Workshops und Coaching für den Comedy-Nachwuchs anbieten. Am Ende einer Ausprobierphase könnte es einen Wettbewerb geben und der Sieger dann beim RuhrHOCHdeutsch-Festival auftreten. 

"Wir brennen darauf, das Publikum kennen zu lernen": Till Beckmann und Cindy Jänicke sind das neue Führungsduo am Fletch Bizzel. Foto: Marcel Richard

„Wir brennen darauf, das Publikum kennen zu lernen“: Till Beckmann und Cindy Jänicke sind das neue Führungsduo am Fletch Bizzel. Foto: Marcel Richard

Das Fletch Bizzel ist das Lebenswerk Ihres Vorgängers Horst Hanke-Lindemann. Wird er Sie beim Neustart unterstützen?
Jänicke: Ja, er ist im Hintergrund da, wenn wir Unterstützung brauchen. Beim RuhrHOCHdeutsch-Festival bleibt er weiterhin künstlerischer Leiter, die Leitung des Geierabends übernehmen wir gemeinsam. Klar ist aber, dass es beim Fletch Bizzel um einen Generationswechsel geht, und den unterstützt Horst Hanke-Lindemann auch.
Beckmann: Vor allem hat er sich auf unsere Ideen und Vorstellungen eingelassen. Selbst bei großen Veränderungen bleibt er sehr entspannt und sagt: probiert das mal aus.

Herr Beckmann, Sie sind im Ruhrgebiet für Auftritte mit Ihren Geschwistern als Ensemble Spielkinder bekannt. Wird es davon im Fletch Bizzel mehr geben?
Jänicke: Ja klar, mindestens täglich!
Beckmann: Ich fände das auch toll, denn die gemeinsamen Auftritte machen mir große Freude. Aber in welcher Form solche Spielkinder-Abende stattfinden könnten, steht noch nicht fest. Ich bin aber schon einmal froh, dass Cindy unsere Arbeit spannend findet. Da hoffe ich, dass wir bald auch auf die Bühne dürfen.

Interview: Annette Kiehl, wsp

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