Fast jeder fünfte Jugendliche ist einsam
Einsamkeit ist bei Jugendlichen in NRW sehr verbreitet und hat sich vermutlich durch die Corona-Pandemie verstärkt, so das Ergebnis einer neuen Studie.
Demnach liegt der Anteil der stark einsamen Jugendlichen je nach Geschlecht und Form der Einsamkeit bei älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 16,3 und 18,5 Prozent, bei jüngeren Jugendlichen zwischen 3,7 und 11,1 Prozent. Die Werte steigen deutlich, wenn diejenigen hinzugezählt werden, die sich moderat einsam fühlen. Bei den älteren Jugendlichen liegen die Werte dann zwischen 51,2 bis 78 Prozent und bei den jüngeren Jugendlichen zwischen 27 bis 68,2 Prozent, so das Ergebnis einer Studie von Forschenden der Universitätsallianz Ruhr aus Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen.
„Einsamkeit ist die neue soziale Frage unserer Zeit. Sie wirkt sich nicht nur auf das Leben der Betroffenen negativ aus. Einsamkeit fordert auch unser Gesundheits- und Sozialsystem heraus und schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Politik muss den Kampf gegen Einsamkeit annehmen und zu einem Grundanliegen ihres Handelns machen“, sagt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst bei der Vorstellung der Studie „Einsamkeit unter Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen nach der Pandemie“, die das Land in Auftrag gegeben hat.
Finanzielle Probleme verstärken Einsamkeit
Die Ergebnisse zeigten zudem, dass Jugendliche mit finanziellen Problemen stärker von Einsamkeit betroffen sind, heißt es weiter. Weniger Zeit mit ihren Freundinnen und Freunden oder weniger sportlichen Aktivitäten und mehr Zeit mit alleiniger Mediennutzung – so sieht der Alltag einsamer junger Menschen häufig aus. Laut den Daten können viele Jugendliche aber auch angemessen mit Einsamkeit umgehen.
„Die Zahlen deuten darauf hin, dass heute mehr Jugendliche und junge Erwachsene von Einsamkeit betroffen sind als vor der Pandemie. Einsamkeit ist zwar eine Erfahrung, die zum Leben dazugehört, wie man auch an den Zahlen zur moderaten Einsamkeit sieht. Aber aus starker Einsamkeit kommen viele nicht mehr alleine heraus, und deshalb besorgt mich der gestiegene Anteil der stark Einsamen unter den älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen“, sagt die Einsamkeitsforscherin Prof. Dr. Maike Luhmann von der Ruhr-Universität Bochum.
Gezielte Kampagne kann helfen
Aus denn Ergebnissen leiten die Autorinnen und Autoren eine Reihe von Empfehlungen ab. So schlagen sie eine gezielte Kampagne vor, die über Einsamkeit aufklärt, zu Bewältigungsstrategien informiert und das Stigma reduziert. Auch sollten Risikogruppen besonders in den Blick genommen werden, dazu zählen etwa Haushalte mit finanziellen Einschränkungen oder arbeitslose Jugendliche.
„Die Ergebnisse der Studie sind ein Auftrag an uns alle. Wir müssen verhindern, dass aus einsamen Kindern und Jugendlichen einsame Erwachsene werden. Wir müssen uns konkrete Bewältigungsstrategien unserer Jugendlichen anschauen und prüfen, wie wir als Politik und Gesellschaft diese Wege gegen Einsamkeit unterstützen und ausbauen können“, so Wüst.
Arbeit schließt empirische Lücke
Für die Studie wurden zwei Stichproben ausgewertet. Die erste umfasste 958 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 20 Jahren, die speziell für die Studie online befragt wurden. Die zweite Stichprobe bestand aus 1.243 Achtklässlern, die an der GLÜCK-Studie teilnahmen. Die Arbeit schließt eine empirische Lücke. Erstmals wurden Kinder und Jugendliche gefragt, wie genau sie Einsamkeit bewältigen – zum Beispiel durch Kontakte zu Freunden, Sport oder die Nutzung von Medien – und wie sie sich dabei fühlen. Zudem liege anders ein besonderes Augenmerk auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie, heißt es.
jüb, wsp