Jahresvorschau: Flaute bei der Windkraft
Der Ausbau der Windkraftanlagen ist in Westfalen ins Stocken geraten. Gerade einmal 20 neue Windräder wurden in 2019 in der Region errichtet. Eine Trendwende ist nicht zu erkennen. Zumal in 2020 rund 560 Windräder in Westfalen aus der EEG-Förderung fallen.
Nur 33 neue Windkraftanlagen wurden 2019 landesweit errichtet, teilt der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE) mit. Die im vergangenen Jahr neu installierte Leistung lag zum Stichtag 15. Dezember bei 111 Megawatt. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor war der landesweite Zubau mit 110 Anlagen und 342 Megawatt noch deutlich größer, 2017 wurden sogar 307 neue Windräder errichtet (870 Megawatt).
Der LEE beurteilt die gesamte Entwicklung kritisch. Zumal die NRW-Energieversorgungsstrategie eigentlich eine Verdopplung der Windenergieleistung bis 2030 vorsehe. Zusammen mit vielen Altanlagen aus den ersten 2000er Jahren, die in den nächsten zehn Jahren in NRW sukzessive ersetzt werden müssten, entspreche das Ziel einer Verdopplung der installierten Leistung bis 2030 einem jährlichen Ausbaubedarf von mindestens 700 Megawatt beziehungsweise rund 170 modernen Windenergieanlagen pro Jahr, teilt der Verband mit.
Die Windkraft-Branche ist unter Druck
„Der Ausbau der Windenergie ist mittlerweile fast zum Erliegen gekommen, obwohl jedes Megawatt dringend für den Klimaschutz gebraucht wird. Die Branche steckt in einer schweren Krise“, sagte Reiner Priggen, Vorsitzender des LEE NRW, bereits im November. Die Krise macht sich längst auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Enercon als größter deutscher Windkraftanlagenbauer hat zuletzt angekündigt, mehr als 3000 Stellen zu streichen. Wie viele davon in NRW betroffen sind, wurde zunächst nicht bekannt. Insgesamt arbeiten mehr als 18.000 Menschen an Rhein und Ruhr in der Windenergiebranche.
„Die rückläufigen Zahlen beim Ausbau der Windkraft setzen die Branche zusätzlich unter Druck“, sagt auch Peter Vennemann, Professor für angewandte Strom- und Wärmeerzeugung an der Fachhochschule Münster, im Gespräch mit westfalenspiegel.de. Dazu habe zum einen die Einführung von Ausschreibungen ins Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) beigetragen, aber auch die geplante Gesetzesänderung in NRW, wonach entsprechende Anlagen zukünftig einen Mindestabstand zu Wohnsiedlungen von mindestens 1500 Metern einhalten sollen. Diese Regelung soll auch für Standorte gelten, die bereits in die Jahre gekommen sind und nun mit leistungsstärkeren Anlagen ausgestattet werden sollen. „Repowering“ heißt das im Fachjargon der Windenergiebranche.
Technisch ist weiterer Ausbau der Windkraft möglich
Dabei hat sich der Anteil der Windenergie an der gesamten Stromerzeugung in NRW zwischen 2014 und 2018 von 3,4 auf 6,5 Prozent erhöht. Die größten Windkrafterzeuger an Rhein und Ruhr sind Brilon, Paderborn und der Kreis Steinfurt. Wie eine Auswertung der Landesregierung zeigt, haben auch viele Regionen noch großes Potenzial beim Ausbau der Windenergie. „Technisch betrachtet könnte der Ausbau der Windkraft in der Region sicher auch noch weiter vorangetrieben werden – durch Repowering und die Erschließung neuer Standorte. Die Frage ist aber, ob die Menschen in NRW das möchten“, sagt Vennemann.
Und da sind Zweifel angebracht. Vor allem die neue Abstandsregel bremst den Ausbau der Windenergie. Das Umweltbundesamt hat für die einzelnen Länder die Auswirkungen dafür berechnen lassen. „Demnach wirken sich die Abstandsregelungen im dichtbesiedelten NRW nach Hamburg in Deutschland am stärksten aus“, sagt Vennenmann. Bei einer vorgeschriebenen Entfernung von 500 Metern zur Wohnbebauung würden sich die Flächen für neue Anlagen oder Standorte, die „repowered“ werden können, in NRW auf etwa 80 Prozent reduzieren, bei einem Mindestabstand von 1000 Metern blieben noch etwa 40 Prozent, bei 1500 Metern weniger als 20 Prozent der potenziellen Flächen übrig.
560 Anlagen in Westfalen fallen aus EEG-Förderung
Und es gibt noch ein weiteres Problem. Im kommenden Jahr läuft der Förderanspruch nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) für rund 560 Anlagen allein in Westfalen aus, teilt die Fachagentur Windenergie an Land mit. Diese Anlagen sind dann 20 Jahre oder länger im Betrieb. Im EEG aus dem Jahr 2000 war die Zahlung einer Mindeststromvergütung für die Dauer von 20 Jahren festgelegt worden. Demzufolge werden zum 31. Dezember 2020 alle Erneuerbare-Energien-Anlagen, die vor oder ab dem Jahr 2000 betrieben wurden, ihren Förderanspruch verlieren.
Noch ist der Zuschlag, den die Betreiber der Anlagen auf den Strompreis bekommen, wichtig, damit sich die Windräder an Land rentabel drehen.„Ziel muss es aber sein, dass Regenerative Energien ohne Förderung am Markt existieren können“, erklärt Professor Vennemann. Die Rahmenbedingungen verändern sich gerade in diese Richtung. Durch den Ausstieg aus der Kernenergie und der Verstromung von Kohle sowie die wachsende Nachfrage nach Elektromobilität werde der Börsenpreis für Strom zukünftig steigen, glaubt er und ergänzt: „Der stärkste Hebel ist jedoch ein hoher Preis für Emsissionszertifikate.“
Jürgen Bröker