Am Geländer einer Brücke in Altena bleibt nach dem Rückzug des Wassers Müll zurück. Aufgenommen einen Tag nach dem Starkregen. Foto: Alexander Bange / Märkischer Kreis
29.07.2021

Flut setzt Schadstoffe frei

In den Katastrophengebieten räumen die Menschen weiter auf, Schadensbilanzen werden gezogen. Die Folgen für die Umwelt sind dagegen noch unklar.

Sicher ist: die Flutwellen hat viele Schadstoffe mitgerissen und in die Umwelt gespült. „Öl aus Heizungen und Tanks ist in die Gewässer gelangt. Teilweise wurden ganze Apotheken ausgespült. Die Medikamente schwimmen jetzt auch im Wasser. Auch Laugen und Säuren aus überschwemmten Industrieanlagen können zum Problem werden“, sagt Henry Tünte vom Umweltverband BUND-NRW.

Auf dem größten Ruhrstausee, dem Baldeneysee in Essen, seien schon Ölschlieren gesichtet worden, so Tünte weiter. Zudem hat das Wasser große Mengen Müll und Plastik mitgerissen. Die Bezirksregierung Arnsberg hat daher jegliche gewerbliche und private Freizeitaktivitäten auf dem Hengstey-, dem Harkort- und dem Kemnader Stausee bis mindestens zum 12. August verboten. Müll und Plastik lagern sich nicht nur in den Seen sondern nach dem Rückzug des Hochwassers auch entlang der Flussläufe ab. Die Folgen für Fische und andere Tiere, sowie für die Pflanzen entlang der Gewässer, würden erst in den kommenden Wochen richtig erkennbar, erklärt Tünte.

Natürlicher Wasserlauf behindert

Im Märkischen Kreis, in dem unter anderem die Gewässer um Iserlohn und Altena besonders betroffen waren, konzentriert sich die Bestandsaufnahme derzeit auf die Schäden für die Gewässer selbst. „Durch die Zerstörungen in der Umgebung oder Geröll im Bach- beziehungsweise Flussbett wird der natürliche Wasserabfluss behindert. Dies ist für sich genommen bereits ein immenser Umweltschaden, weil Flora und Fauna auf funktions- und leistungsfähige Gewässer angewiesen sind“, sagt Alexander Bange, Sprecher des Märkischen Kreises.

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Wasserproben konnten die Experten der Unteren Wasserbehörde zum Zeitpunkt der Überschwemmungen aufgrund der enormen Wassermengen und vorrangigen Rettung von Menschenleben nicht nehmen, so Bange. In Gewerbe- und Industriegebieten gebe es aber gewisse Vorkehrungen, die davor schützen sollen, dass Giftstoffe in die Umwelt gelangen. Der Unteren Wasserbehörde sei nicht bekannt, dass es in Folge der Katastrophe in den Betrieben zu einem gravierenden Versagen der jeweiligen Schutzmaßnahmen gekommen sei, erklärt der Kreissprecher.

Gummistiefel und Handschuhe empfohlen

Mit dem fließenden Wasser seien auch die Schadstoffe weiter transportiert worden. Wegen der extrem großen Wassermengen war die Fließgeschwindigkeit auch sehr hoch, sodass die Stoffe schnell weiter flußabwärts getragen wurden. Gleichzeitig wurden die Schadstoffe durch die enormen Wassermengen stark verdünnt. „Sollte es vor Ort längerfristige Auswirkungen geben, wird sich dies in den Daten der Messstellen des LANUV und der Kläranlagen zeigen“, sagt Bange.

Wie groß die Gefahr für die Helfer beim Aufräumen ist, kann der Kreis nicht abschließend einschätzen. Vorsorglich empfiehlt er aber, bei den Aufräumarbeiten Gummistiefel und wasserdichte Handschuhe zu tragen. Auch das NRW-Umweltministerium rät zu diesen Vorsichtsmaßnahmen, da der Schlamm in den Hochwassergebieten mit Schadstoffen und Krankheitserregern kontaminiert sein könnte. Durch einen direkten Kontakt mit dem Schlamm und dem verunreinigten Flutwasser könnten Wundinfektionen, Hautausschlag, Darmerkrankungen, Wundstarrkrampf (Tetanus) und Leptospirose (Schlammfieber) hervorgerufen werden, heißt es weiter.

Nur sicheres Wasser verwenden

Bisher gebe es keine Erkenntnisse über Infektionskrankheiten-Erkrankunge in den Hochwassergebieten. Die Menschen dort sollten aber, um gesundheitliche Gefahren so gut wie möglich auszuschließen, nur saubere und verpackte Lebensmittel sowie Flaschenwasser verzehren. Zum Geschirrspülen, zum Zähneputzen und zur Körperhygiene sollte nur sicheres Wasser (in Flaschen abgefülltes, abgekochtes oder behandeltes Wasser) verwendet werden, so das Umweltministerium.

Jürgen Bröker/wsp

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