Dr. Tobias Placke im Zyklisier-Labor. Hier werden die entwickelten Zellen einem anwendungsnahen Stresstest unterzogen. Foto: Jürgen Bröker
08.05.2018

Forscher bauen die Batterie der Zukunft

Das MEET in Münster gilt als eines der weltweit führenden Zentren Bereich der Batterieforschung. Für den WESTFALENSPIEGEL hat es seine Tore geöffnet. 

Ohne den weißen Kittel geht nichts. Auch Besucher, die eines der zahlreichen Labore am Batterieforschungszentrum MEET an der Universität Münster betreten wollen, müssen sich das ungewohnte Kleidungsstück überstreifen. Noch schnell die Schutzbrille auf die Nase gesetzt, dann kann es losgehen. Dr. Tobias Placke geht voran. Der Chemiker und Leiter des Bereichs „Materialien“ am MEET öffnet für den WESTFALENSPIEGEL an diesem Tag die Türen zur Herzkammer der Batterieforschung.

„Batterien sind aus der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken. Unter den aktuell verwendeten Batterie-Typen sind dabei die Lithium-Ionen-Batterien für viele wachsende Anwendungsfelder die wichtigsten“, sagt Placke. Nicht zuletzt wegen der weiter steigenden Nachfrage der Automobilindustrie wird den Lithium-Ionen-Batterien ein enormes Wachstumspotenzial in den kommenden Jahren vorhergesagt.

Batterien gelten als Schlüsseltechnologie

Diese Technologie steht auch im Fokus der Wissenschaftler am MEET, die Abkürzung steht für Münster Electrochemical Energy Technology, einer der weltweit führenden Forschungseinrichtungen für Batterien. Forscher und Techniker arbeiten dort an der Batterie der Zukunft: an den Materialien und den Komponenten der Energiespeicher auf Zellebene.

Batterien gelten als Schlüsseltechnologie, wenn es darum geht, regenerativ erzeugten Strom zu speichern und Elektroautos anzutreiben. Von den Batterien hängt die Konkurrenzfähigkeit der E-Autos im Vergleich zu den mit fossilen Brennstoffen betriebenen Diesel- oder Benzinautos ab. Noch können sie nicht ganz mithalten. Vor allem wegen der relativ kurzen Reichweiten und der zu langsamen Ladegeschwindigkeit. „Wir wollen die Batterie verstehen und letzten Endes noch besser machen“, sagt Placke. Die Ziele: höhere Energiedichten, Produktionskosten senken, Lebensdauer und Sicherheit erhöhen, Schnellladung vorantreiben. „Außerdem beschäftigen wir uns damit, wie die Anteile kritischer und toxischer Materialien in den Batterien verringert werden, beziehungsweise durch weniger kritische und umweltfreundlichere ersetzt werden können“, sagt Placke. Und auch das Thema Recycling steht auf der Agenda der Wissenschaftler.

Die Knopfzellen beim Stresstest im Zyklisierlabor. Foto: Jürgen Bröker

Die Knopfzellen beim Stresstest im Zyklisierlabor. Foto: Jürgen Bröker

Placke selbst ist seit 2010 am MEET. Gegründet wurde das Institut ein Jahr zuvor. In den knapp zehn Jahren ihres Bestehens ist die Einrichtung enorm gewachsen. Gut 140 Wissenschaftler aus mehr als zehn Nationen arbeiten inzwischen am MEET. Vor allem Chemiker und Physiker. Weltweit gehört das MEET sowohl in Ausstattung als auch Know-how zu den führenden Forschungseinrichtungen in seinem Bereich.

Bis zu 1500 Batterie-Zellen gleichzeitig testen

Den Wissenschaftlern stehen hochsensible Geräte zur Verfügung. So zum Beispiel das eigens für das MEET angefertigte „High-Throughput-Screening“-System (kurz: HTS-System). Mit ihm können neue Elektrolyte vollautomatisch zusammengesetzt und in einzelnen Batteriezellen verbaut werden. Der Elektrolyt ist einer der drei wesentlichen Bestandteile einer Batteriezelle. Er fungiert als Ionenleiter. Einfach gesagt, sorgt er dafür, dass die Ionen beim Be- und Entladen der Batterie von einem Pol zum anderen wandern können. Seine Beschaffenheit entscheidet zum Beispiel darüber, wie schnell dies geschehen kann. Elektrolyte beeinflussen die Sicherheit, Lebensdauer und Leistungsfähigkeit einer Batteriezelle maßgeblich und sind daher ein zentrales Thema in der Batterieforschung.

Sind neue Stoffe entwickelt, können diese am MEET in Batteriezellen eingebaut werden. Anschließend testen die Forscher diese in einem der so genannten „Zyklisier-Labore“. Zunächst meist in kleinen Größen wie einer Knopfzelle. Unter verschiedenen Umgebungsbedingungen können hier bis zu 1500 Zellen gleichzeitig immer wieder be- und entladen und so einem anwendungsnahen Stresstest unterzogen werden. In den Laboren brummt es permanent. Teilweise hat man das Gefühl, dass der Boden leicht schwingt. Die Lufttemperatur beträgt hier konstante 20 Grad. „Aber wir haben über verschiedene Temperaturschränke die Möglichkeit, unsere Zellen bei Bedingungen von -40 bis +80 Grad Celsius zu testen“, sagt Placke. Funktionieren bestimmte Zusammensetzungen besonders gut, werden die Zellen entsprechend größer gebaut und weiteren Tests unterzogen.

Licht in die „Black Box“ Batterie

Dazu geht es weiter durch das MEET. Placke öffnet die Türen zur Schleuse, die in den Trockenraum führt. Besucher und Forscher laufen über eine auf dem Boden angebrachte blaue Klebefolie, die verhindern soll, dass Staubkörner unter den Schuhsohlen den Raum verschmutzen. „Der Trockenraum bietet uns für die Fertigung von sicheren, leistungsfähigen und langlebigen Zellen eine ideale Umgebung“, sagt Placke. In dem 100 Quadratmeter großen Labor herrscht eine relative Feuchte von 0,02 Prozent. In dieser Qualität ist der Raum deutschlandweit einmalig und ermöglicht Batterieforschung auf höchstem Niveau, so Placke. Im Fertigungsprozess arbeiten die Techniker hier an der Verfahrensoptimierung zur Stapelung der Zell-Komponenten, der Abdichtung der Zellkörper sowie der präziseren Elektrolytbefüllung.

Die Wissenschaftler des MEET bringen so immer mehr Licht in die „Black Box“ Batterie. Herstellung und Leistung werden effizienter und besser. Bis 2025, glaubt Forscher Placke, könnten die Batterien so endgültig mehr als wettbewerbsfähig zu Benzin und Diesel sein.

Jürgen Bröker

Dieser Beitrag stammt aus dem WESTFALENSPIEGEL Heft 3_2018

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