Frankreich wird Europameister
Ein internationales Forschungsteam mit Wissenschaftlern der TU Dortmund hat die Fußball-EM (11.6. bis 11.7.) am Rechner durchgespielt. In ihrer Prognose wird Frankreich Europameister. Das wirft aus deutscher Sicht natürlich Fragen auf. Wir haben sie gestellt.
Herr Professor Groll, Sie haben die EM am Rechner schon durchgespielt – steht der Sieger schon fest?
Nein, der Europameister ist keinesfalls klar. Unser wahrscheinlichster Sieger hat ja nur 14,8 Prozent Wahrscheinlichkeit, das ist Frankreich. Das heißt ja auch automatisch, dass Frankreich mit einer Wahrscheinlichkeit von 85,2 Prozent nicht Europameister wird. Und auch wenn man die Gewinnwahrscheinlichkeit der obersten drei oder vier Mannschaften addiert, dann ist da noch viel Raum für die Underdogs, um doch noch eine Überraschung zu schaffen.
Sie haben in Ihrer Auswertung als Favoriten Frankreich, vor England und Spanien – ehrlich gesagt fehlt uns da ein Team.
(Lacht): Wir haben natürlich auch ganz genau darauf geschaut, was machen denn die Deutschen? Aber wir müssen sagen, dass Deutschland mit Frankreich und Portugal die wohl schwierigste Gruppe erwischt hat. Und bei vielen Variablen, die unseren Berechnungen zu Grunde liegen, ist Deutschland zum Beispiel im Vergleich zum Weltmeisterjahr 2014 nicht so gut aufgestellt. Immerhin liegt Deutschland bei unseren Berechnungen aber gleichauf mit Portugal noch auf dem vierten Platz.
Liegen Ihren Berechnungen ausschließlich statistische Werte zu Grunde?
Klar ist, die Modelle können nur so gut sein, wie die Infos sind, mit denen wir sie füttern. In unsere Berechnungen fließen die Wettquoten der Wettanbieter ein. Aber auch das offizielle Fifa-Ranking der Mannschaften und der Marktwert des Kaders. Das sind schon sehr verlässliche Größen. Wir haben uns aber auch Variablen überlegt, bei denen auch eine Fußballidee eine Rolle spielt.
Zum Beispiel?
Wir haben eine Champions League-Variable, diese Idee hatte vor einigen Jahren mal ein fußballbegeisterter Kumpel von mir. Das ist eine Variable, die sagt, wie viele Spieler hat eine Mannschaft im Kader, die in der vorangegangenen Champions League-Saison mit ihren Vereinen im Halbfinale dieses Wettbewerbs standen. Unsere Berechnungen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass diese Variable recht wichtig ist.
Sind die Prognosen zur EM für Sie Spielerei oder steckt da auch eine Forschungsfrage hinter, die Ihnen bei anderen Themen hilft?
Abgesehen davon, dass ich ein großer Fußballfan bin und es mir großen Spaß macht, solche Berechnungen durchzuführen, ist es tatsächlich so, dass Fußball eine sehr schwierig vorhersagbare Sportart ist. Daher können wir auf diese Art und Weise unsere Modelle ans Maximum heranbringen. Die Modelle, die wir dazu nutzen, sind auch relevant für medizinische oder wirtschaftliche Anwendungen. So bietet uns der Fußball die Möglichkeit, unsere Modelle zu verbessern.
Welche Rolle spielt der Zufall in Ihren Berechnungen?
Wir füttern das Modell auch mit den Daten der letzten Turniere. Dadurch ist eine gewisse Zufälligkeit abgedeckt. 2004 wurde zum Beispiel der größte Außenseiter – Griechenland – Europameister. Oder nehmen Sie den 7:1-Sieg der Deutschen im WM-Halbfinale 2014 gegen Brasilien. Ein solches Ergebnis kann kein Modell vorhersagen. Das Modell kann sagen: Deutschland und Brasilien sind auf Augenhöhe – und manchmal passiert im Fußball dann eben wirklich etwas Verrücktes.
Wie hat Ihr Modell bei vergangenen Turnieren abgeschnitten?
Das Modell haben wir in diversen Tipprunden und auch gegen die Wettanbieter antreten lassen, und das mit großem Erfolg. Zum Beispiel waren die Ergebnisse in einer Kicktipp-Gruppe mit Kollegen bei der letzten Weltmeisterschaft sehr gut. Da habe ich mit den vorhergesagten Ergebnissen unserer Berechnungen meine Tipprunde an der Hochschule mit gut 20 Punkten Vorsprung gewonnen. Es war schön zu sehen, dass unsere Vorhersagen funktionieren.
Steigt Ihr EM-Fieber durch diese Arbeit?
Auf jeden Fall. Natürlich fiebern wir mit. Auf der einen Seite wollen wir sehen, wie unser Modell abschneidet. Auf der anderen Seite drücke ich natürlich Deutschland die Daumen. Das ist durchaus ein Dilemma. Wenn Deutschland weit kommen soll, muss ich nämlich hoffen, dass unser Modell manches Mal daneben liegt.
Interview: Jürgen Bröker
Für ihre Prognosen zur Fußball-Europameisterschaft haben die Forscher der Universitäten Innsbruck und Gent, der Technischen Universitäten Dortmund und München und der Hochschule Molde das Turnier 100.000 Mal am Rechner durchsimuliert. Demnach landet Frankreich auf Platz eins gefolgt von´ England und Spanien.
Die gesamte Prognose mit interaktiven Grafiken gibt es hier.