Frau Kanzlerin aus Attendorn
Angela Merkel beendet ihre Zeit als Bundeskanzlerin. Damit endet auch für Ursula Nawa-Wanecki ihre „Amtszeit“ als Merkel-Double.
„Ich habe ihr die Raute abgeguckt, sie mir die Frisur. Wir sind quitt“, sagt Ursula Nawa-Wanecki mit einem Augenzwinkern. Die 65-jährige Attendornerin ist Merkel-Double. Sie besitzt einen Kleiderschrank mit Blazern in allen Farben, hat die Kanzlerin in zig Shows, Werbungen und Foto-Shootings imitiert und geht nun wie Angela Merkel in den Ruhestand.
„Schuld“ war eigentlich der Polyester: Aus diesem Kunstmaterial bestand nämlich der indische Sari, den sich Ursula Nawa-Wanecki 2012 zum Karneval bestellt hatte. Die Steuerfachangestellte wollte in der Karnevalshochburg Attendorn in Seide feiern, doch der Poly-Sari war eine Enttäuschung für sie. Kurz vor knapp musste ein neues Kostüm her. Nur was? Ursula Nawa-Wanecki war bis dato schon einige Male von Touristen in Attendorn angesprochen worden: „Die wollten mit mir ein Foto machen, weil ich Angela Merkel so ähnlich sähe.“ Gut, also zog die Attendornerin eine Stoffhose und einen grünen Blazer an, ließ sich von der Tochter die Haare richten: Die Rolle war perfekt. „Mimik und Gestik von Angela Merkel sind mir in die Wiege gelegt worden.“
Vor dem G7-Gipfel auf Schloss Elmau
Ursula Nawa-Wanecki suchte sich eine Künstleragentur, dann folgten die ersten Auftritte: bei Stefan Raab, als Dauergast in der „heute-show“ und bei Joko und Klaas. „Da haben sich meine Enkel gefreut“, sagt sie lachend. Sie wurde als special guest auf Geburtstage von Bundestagsabgeordneten eingeladen, war vor dem G7-Gipfel auf Schloss Elmau, hat in Rom einen Kinofilm gedreht und unlängst noch für das TV-Magazin „Galileo“ in Berlin als Merkel-Double mitgewirkt. Auch die britische Fotografin und Videokünstlerin Alison Jackson hat Nawa-Wanecki gebucht. Jackson ist dafür bekannt, mit Doppelgängern berühmter Persönlichkeiten Situationen zu imitieren. In diesem Fall waren es die Doubles von Putin und Greta.
Das alles zählt Ursula Nawa-Wanecki als Höhepunkte ihrer Zeit als Doppelgängerin von Angela Merkel auf. Schwierig sei es dagegen 2015 während der Flüchtlingskrise gewesen. „Meine Familie wollte nicht, dass ich in dieser Zeit nach Berlin fahre. Sie hatte Angst um mich.“ Überhaupt, in Berlin stellen die Auftraggeber Ursula Nawa-Wanecki meist eine Limousine und Bodyguards: „Irgendwo ist in Berlin immer eine Demo, und so ist es sicherer.“
„Totaler Angela-Merkel-Fan“
Manchmal war die gebürtige Polin im Zweifel, einen Auftrag anzunehmen. Zum Beispiel für das Lesben-Magazin „Straight“. „Ich bin aus streng katholischem Haus, das konnte ich mir erst gar nicht vorstellen. Dann habe ich recherchiert, dass zig Tausende wegen ihrer Homosexualität umgebracht worden sind. Das hat meine Ansichten verändert.“ So wie die gesamte Zeit als Angela-Merkel-Double sie politisch und intellektuell beeinflusst habe.
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Ursula Nawa-Wanecki bewundert die Kanzlerin: „Ich bin ein totaler Angela-Merkel-Fan. Sie hat gezeigt, dass Frauen führen können, und kämpft gegen Hetze und Hass. Sie ist eine ganz große Demokratin“, schwärmt die Doppelgängerin und hat noch einen Riesen-Wunsch: „Ich möchte einmal Frau Merkel begegnen.“
Corina Wegler
Doubles wie Angela Merkel vermittelt u.a. Florstedt: Die Doppelgänger- u. Künstleragentur.
Dieser Beitrag erschien in Heft 4/2021 des WESTFALENSPIEGEL. Gerne können Sie weitere Texte im Rahmen eines kostenlosen Probeabos kennenlernen. Hier geht’s zur Probeabo-Bestellung.