
Erneute Saison ohne Vorstellung?
Keine Proben, keine Perspektive – die Freilichtbühnen in Westfalen stehen vor der zweiten Saison ohne Aufführung. Einige Theater haben schon jetzt ihre Produktionen auf 2022 verschoben.
Die Liste mit den „Pandemiebedingten Saisonentscheidungen“ auf der Website des Verbands Deutscher Freilichtbühnen (VDF) wird immer länger. Schon jetzt haben dort 19 Bühnen angekündigt, ihr Programm abzusagen oder erneut um ein Jahr zu verschieben. So wurden die geplanten Aufführungen von „Jim Knopf“ und anderen Stücken in Werne bereits für die Saison 2021 abgesagt. Die Waldbühne Heessen hat ihre große Produktion „Shrek“ auf das nächste Jahr verschoben. Dort hofft man noch darauf, eine verkürzte Spielzeit mit anderen Theaterstücken anbieten zu können, bei denen das Ensemble etwas kleiner ist.
„Ich hoffe sehr, dass möglichst viele Bühnen noch die Geduld und das Durchhaltevermögen haben zu warten, ehe sie ihre Spielzeit erneut komplett absagen“, erklärt Heribert Knecht, Vorsitzender der Region Nord des VDF. Der Verband, der unter anderem die Interessen von 16 westfälischen Freilichttheatern vertritt, hat erst vor kurzem die Aktion „#füreuchfüruns“ ins Leben gerufen, um auf die schwierige Situation der Amateurtheater aufmerksam zu machen. Denn anders als die Bühnen mit professionellen Schauspielern dürften die Amateurtheater bisher noch nicht zu Proben zusammenkommen, sagt Knecht: „Und das, obwohl auch wir selbstverständlich umfangreiche Konzepte zum Schutz der Schauspieler vor einer Corona-Infektion haben.“
Finanzielle Sorgen
Viele Bühnen hat die Schließung schon im vergangenen Jahr hart getroffen. Als im März 2020 die Vorbereitungen für die Saison gestoppt werden mussten, waren vielerorts Requisiten und Kostüme angeschafft. Außerdem müssen die Freilichtbühnen unterhalten werden. Ohne Zuschauereinnahmen ist das schwer. In der bisher letzten möglichen Saison im Jahr 2019 zählten die Freilichttheater in Nordrhein-Westfalen 309.000 Besucher. Ein Jahr zuvor waren es sogar fast 330.000. Die daraus resultierenden Einnahmen fehlen nun voraussichtlich zwei Jahre hintereinander. Klar ist jedenfalls jetzt schon: Falls es eine Saison geben wird, wird diese wohl kürzer ausfallen, und auch die Zuschauerplätze werden nicht komplett gefüllt werden können.

Aufführung von „Ein Käfig voller Narren“ auf der Bühne in Greven-Reckenfeld. Foto: ©Richard Laustroer
Doch den VDF treibt nicht nur die Sorge vor finanziellen Engpässen der Mitgliedsbühnen. Noch schwerer wiegt die Sorge um die Zukunft der Ensembles. „Unsere Aktiven betreiben die Schauspielerei und ihr Engagement für die Freilichttheater neben ihrem normalen Beruf. Wenn sie nun das zweite Jahr in Folge nicht auf die Bühne dürfen, werden wir einige von ihnen wohl verlieren“, so Knecht. Die ehrenamtlichen Strukturen seien auch der Grund, warum man mehr Zeit für die Proben benötige. „Wir können nicht den ganzen Tag zusammenkommen, sondern müssen das rund um den Berufsalltag organisieren“, sagt Knecht. Also nach Feierabend und am Wochenende.
„Spielfreude erhalten“
Er wünscht sich, dass die Politik den verantwortlichen Bühnenvorständen mehr zutrauen würde. „Wir tun alles, damit die Theater nicht zum Hotspot werden“, so Knecht. Umfangreiche Konzepte zum Schutz der Schauspieler und Zuschauer seien längst ausgearbeitet. Auch könnten zusätzlich zur Verfügung gestellte Schnelltests für noch größere Sicherheit sorgen.
Trotz all der Unwägbarkeiten ist die Stimmung bei vielen Theatern noch davon geprägt, spielen zu wollen. Das hätte ein virtuelles Treffen in der vergangenen Woche gezeigt, sagt Knecht: „Dort war der Tenor: Irgendetwas werden wir anbieten – wir wollen uns die Spielfreude erhalten.“ Die Freilichtbühne Tecklenburg, die mit Profischauspielern arbeitet, hat dagegen alle Veranstaltungen für 2021 bereits abgesagt. Dort hebt sich der Vorhang erst wieder 2022.
Jürgen Bröker/wsp