Freiwilligendiensten drohen Kürzungen
Die Bundesregierung plant Kürzungen des Etats für die Freiwilligendienste. Sozialverbände und eine in Schwerte mitgründete Initiative fürchten dramatische Folgen.
Mehr als 100.000 Unterschriften hat die Kampagne „Freiwilligendienst stärken“ gesammelt. Eigentlich war das Ziel der Initiatoren rund um die 19-jährige Marie Beimen aus Schwerte, ihre Forderungen für eine Verbesserung des Freiwilligendienstes vorzubringen. „Wir setzen uns weiter dafür ein, dass die Rahmenbedingungen verbessert werden. Aber jetzt geht es vor allem auch darum, die Kürzungen zu verhindern“, sagt Marie Beimen. Sie selbst absolviert gerade ihr Freiwilliges Soziales Jahr am Marienkrankenhaus in Schwerte. Im September wird sie für die Kampagne bei einer Anhörung im Bundestag sprechen.
Der Haushaltsentwurf der Bundesregierung sehe vor, ab dem kommenden Jahr rund ein Drittel des Gesamtbudgets im Bundeshaushalt für Freiwilligendienste einzusparen. Etwa 25.000 Plätze seien damit bundesweit bedroht, erklärt der Arbeiter-Samariter-Bund NRW. Die Pläne sorgten für große Unsicherheiten bei den Trägern, heißt es weiter. „Wir halten dies für das völlig falsche Signal. Statt endlich die einschränkenden Rahmenbedingungen für die Finanzierung der Freiwilligendienste zu ändern, wird erneut auf dem Rücken der Schwächsten in unserer Gesellschaft Politik gemacht. Außerdem zeugt dieser Beschluss von wenig Wertschätzung für das gesellschaftliche Engagement junger Menschen“, sagt Dr. Stefan Sandbrink, Geschäftsführer des ASB-Landesverbandes in NRW.
Ziel der Petition: Engagement stärken
Auch das Bistum Münster ist besorgt. Philipp Soggeberg, Geschäftsführer der Freiwilligen Sozialen Dienste im Bistum sagt: „Die geplanten Kürzungen bedrohen die Freiwilligendienste in ihrem Kern. Es ist schockierend zu sehen, wie bedenkenlos ein funktionierendes Modell des gesellschaftlichen Engagements dem Sparzwang zum Opfer fallen soll. Und wieder einmal sind junge Menschen die Leidtragenden. Allein in Trägerschaft der FSD werden durch die Kürzungen 200 Plätze weniger angeboten werden können, die Qualität der pädagogischen Arbeit steht auf dem Spiel und nicht zuletzt fehlen im ohnehin überlasteten sozialen und pflegerischen Bereich zusätzliche helfende Hände.“
Etwa 90.000 vorwiegend junge Menschen engagieren sich momentan bundesweit in den unterschiedlichen Freiwilligendiensten im sozialen, ökologischen oder auch kulturellen Bereich. Um ihr Engagement zu stärken, fordern Beimen und ihre Mitstreiter verschiedene Verbesserungen. Dazu gehört ein kostenloses ÖPNV-Ticket für die freiwillig Engagierten. „Das würde auch eine gewisse Wertschätzung für die Leistungen der Menschen zeigen, die sich in den verschiedenen Freiwilligendiensten einbringen“, sagt Beimen. Zudem müsse das Taschengeld erhöht werden. „Es sollte bundesweit einheitlich und so hoch sein, dass es zum Leben reicht“, sagt Beimen. Aktuell erhalten Freiwillige in der Regel ein Taschengeld von etwa 440 Euro.
„Freiwilligendienst stärkt die Gesellschaft“
Beimen sieht durch die niedrige Pauschale die Chancengleichheit ausgehebelt. „Gerade Jugendliche und junge Erwachsene aus ärmeren Verhältnissen müssen nach der Schule oft Geld verdienen, um ihre Eltern zu entlasten. Da kommt unter den jetzigen Bedingungen ein Freiwilligendienst nicht in Frage“, so die junge Frau. Zudem sei die Anrechnung des zu geringen Taschengeldes auf Sozialleistungen der Familien von Freiwilligen unsozial. Gestärkt werden die Initiatoren der Petition auch von den Vereinen, Verbänden und Einrichtungen, die junge Menschen im Freiwilligenjahr engagieren.
Die Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages soll von einer Aktionswoche begleitet werden, in der die Freiwilligen auf ihre Situation und ihren Dienst aufmerksam machen möchten. „Freiwlligendienst ist wichtig für die Gesellschaft, er stärkt den Zusammenhalt und damit die Gesellschaft an sich“, sagt Beimen.
Jürgen Bröker, wsp
Mehr zum Thema Gesellschaftsjahr lesen Sie hier: Pflichtjahr für alle?