Kirchliche Friedhöfe unter Druck
Einäscherungen und damit verbundene Urnenbestattungen werden immer häufiger. Das hat auch Folgen für kirchliche Friedhöfe. Manche werden bereits an Gemeinden übergeben.
Persönliche Trauerfeiern und individuell gestaltete Grabstätten werden für die Menschen immer wichtiger. Traditionelle Begräbnisse werden auf den Friedhöfen dagegen immer seltener. Das hat auch dazu geführt, dass die Kirchen ihre einstige Monopolstellung in der Bestattungskultur verloren haben. Über Jahrhunderte war es die Sache der Kirchen, die Toten zu bestatten. Möglichst nahe bei der Kirche fanden sie ihre letzte Ruhestätte.
War es früher in Westfalen also selbstverständlich, dass Menschen in Begleitung durch die katholische oder evangelische Kirche beigesetzt wurden, finden Trauerfeiern inzwischen häufiger ohne als mit Priester oder kirchlicher Begleitung statt. Der Anteil christlicher Bestattungen liegt inzwischen bei unter 50 Prozent. „Einige Gründe dafür sind ein zurückgehender christlicher Bevölkerungsanteil, eine Vielzahl persönlicher Vorstellungen von Sterben und Tod, die wachsende Präsenz nichtchristlicher Religionen in Deutschland, Individualisierung sowie Ökonomisierung im Umgang mit dem Tod“, erklärt Anke Lucht vom Bistum Münster.
Immer mehr Einäscherungen
Eine weitere Veränderung: Auch auf kirchlichen Friedhöfen steigt die Zahl der Urnenbestattungen seit Jahren an und hat die Zahl der Sargbeisetzungen vor etwa zehn Jahren überholt. Auf kommunalen Friedhöfen sind Urnenbeisetzungen schon deutlich länger die häufigste Bestattungsart. Das mag auch damit zusammenhängen, dass die Einäscherung in den Kirchen lange Zeit nicht akzeptiert wurde.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden die meisten Verstorbenen im Sarg beigesetzt. Erst mit dem Aufkommen der Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert veränderte sich das langsam. In manchen Städten gründeten sich Vereine für Feuerbestattung. Diese waren häufig atheistisch geprägt, was wiederum die Ablehnung der Feuerbestattung durch die Kirchen verstärkte. In den 1920er Jahren akzeptierte die evangelische Kirche schließlich die Feuerbestattung, die katholische Kirche zog erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil im Jahr 1963 nach. Grund für die Ablehnung bis dahin war auch die Annahme, dass die Auferstehung der Gläubigen besser symbolisiert sei, wenn der Leib zuvor nicht zerstört wurde.
Private Konkurrenz
Heute hat vor allem die starke Nachfrage nach Baumbestattungen bei privaten Anbietern wie WaldFried oder Ruheforst zu Einbrüchen bei den „traditionellen“ Friedhofsträgern (Städte und Gemeinden sowie Kirchen) geführt. „In der Folge erheben diese höhere Gebühren, sodass die Nachfrage weiter sinkt und die Friedhöfe unterfinanziert sind“, so Lucht. Während die Kommunen das Defizit über Steuern ausgleichen könnten, hätten die Kirchen diese Möglichkeit nicht. „Im Rahmen der Daseinsfürsorge müssen Kommunen Friedhöfe vorhalten. Wenn die kirchlichen Träger diese Aufgabe nicht mehr übernehmen können, fällt sie an die Kommunen zurück“, erklärt Lucht weiter.
Ähnlich ist es auch auf den evangelischen Friedhöfen in Westfalen. Durch die Zunahme der Urnenbestattungen und den damit geringeren Platzbedarf entstehen sogenannte „Überhangflächen“, die frei von Bestattungen sind. „Dies verändert zum einen das Landschaftsbild der Friedhöfe, hat aber auch Auswirkungen auf die Haushalte der Friedhöfe. Insbesondere bei Friedhöfen mit wenigen Bestattungen pro Jahr kann dies dazu führen, dass die Gebühren spürbar angehoben werden müssen, um einen Haushaltsausgleich zu gewährleisten. Auch die Pflege von freien Flächen verursacht Aufwand“, so die Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW).
In den letzten acht, neun Jahren seien in der Region fünf evangelische Friedhöfe an Kommunalgemeinden abgegeben worden, heißt es von der EKvW, und weiter: Die Übertragung der Friedhofsträgerschaft an kommunale Körperschaften könnte perspektivisch gesehen zunehmen, dies auch vor dem Hintergrund, dass immer mehr kirchliche Friedhöfe in finanzielle Schieflage geraten könnten.
jüb, wsp