In der Regel kommen etwa 30 Schwimmer in das Freibad „Mollbeck“ in Recklinghausen, sobald es um 7 Uhr seine Tore öffnet. Alle Fotos: Jürgen Bröker
01.07.2025

Frühschwimmen macht glücklich

Im Recklinghäuser Freibad Mollbeck trifft sich schon um 7 Uhr am Morgen eine Gruppe von Schwimmerinnen und Schwimmern. Lesen Sie hier einen Archivartikel aus dem WESTFALENSPIEGEL 04/2024.

6.40 Uhr an einem kühlen Junimorgen in Recklinghausen. Zwölf Grad zeigt das Thermometer an. Während sich die einen noch einmal im Bett umdrehen, sind andere bereits auf dem Weg zur Arbeit. Vor dem Tor des Freibads Mollbeck versammeln sich derweil die ersten Schwimmer. Das Kassenhäuschen ist zwar besetzt, geöffnet wird aber erst um 7 Uhr. Das stört die Männer und Frauen, die hier warten, aber nicht. Sie stellen ihre Taschen ab und schwatzen. Über das Wetter, den neuesten Tratsch aus der Stadt und die Gesundheit. Man kennt sich, schließlich trifft man sich jeden Morgen von Ende April oder Anfang Mai bis Anfang September hier. So lange, wie das Freibad eben geöffnet hat.

Treffpunkt Freibad

Eine ältere Dame, die offensichtlich etwas länger nicht dabei war, wird besonders herzlich von den Wartenden begrüßt. Als das Tor um Punkt 7 Uhr aufgeht, gibt es kein Halten mehr. Einige hasten zum Wasser, ziehen auf dem Weg zum Becken bereits Pullover und T-Shirt aus, um als erster ins spiegelglatte Wasser zu tauchen. Andere lassen es etwas gemächlicher angehen, wie Jürgen Sauer. Für den 67 Jahre alten Kaufmann ist das Frühschwimmen längst eine lieb gewonnene Gewohnheit. Seit 35 Jahren ist der Recklinghäuser in der Mollbeck pünktlich am Start. Fast immer am linken Beckenrand. Noch vor der Arbeit steigt Sauer in die Badehose und ins kühle Nass, das zumindest im Sportbecken nicht ganz so kühl ist. Bei immerhin 24 Grad können die Frühaufsteher hier ihre Bahnen ziehen. „Für mich ist das im Sommer gesetzt. Man kommt aus dem Wasser, duscht danach heiß und dann geht es topfit zur Arbeit“, sagt er. Ihm geht es in erster Linie um „ein bisschen Bewegung“. Das gilt für die meisten der etwa 30 Schwimmerinnen und Schwimmer, die hier morgens kraulen, brust- oder rückenschwimmen. Manche nehmen es aber auch sportlich. Wie „Freddie“, der mit Flossen an den Füßen und speziellen Paddles an den Händen schnell sein Pensum abreißt.

Doch da ist auch noch mehr. Die Gruppe hat neben dem Schwimmen eine ganz eigene Dynamik entwickelt. „Weil hier immer die gleichen Leute unterwegs sind, ist eine nette Gemeinschaft entstanden. Manche kennen sich seit mehr als 25 Jahren“, so Michael Bachem, der selbst seit 20 Jahren in jedem Sommer um 7 Uhr die Schwimmbrille aufsetzt und ins Wasser steigt. „Wenn man mal nicht kann, gibt man jemandem Bescheid, damit die anderen sich keine Sorgen machen“, sagt der 70-Jährige und lacht. Über das aufgewühlte Wasser hinweg wird liebevoll gefrotzelt und geneckt, aber auch sorgenvoll nachgefragt, wenn die regelmäßige Begleitung eines Schwimmers nicht dabei ist. Was auffällt: Fast alle Frauen und Männer strahlen, wenn sie aus dem Wasser kommen. Schwimmen, genauer Frühschwimmen, macht offensichtlich glücklich. Das gilt auch für Sieglinde Engler. Sie ist 83 Jahre alt und seit zehn Jahren passionierte Frühschwimmerin. Meist kommt sie mit ihrer Freundin Ingrid. „Mit dem Schwimmen beginnt der Tag für mich. Das ist einfach toll. Außerdem erfährt man beim Plausch vor dem Tor alles, was so in der Stadt passiert. Wir haben Spaß und lachen viel“, sagt sie. Sieglinde Engler genießt schon die Fahrt durch die üppigen Alleen, die zum Schwimmbad führen. Allein dafür lohne es sich schon, morgens aufzustehen, sagt sie.


Dieser Artikel ist in Heft 4/20254 des WESTFALENSPIEGEL erschienen. Möchten Sie mehr lesen? Gerne senden wir Ihnen zwei kostenlose Ausgaben unseres Magazins zu. Hier geht es zum Schnupperabo.


Inzwischen ist es 7.40 Uhr. Einige Frühschwimmer haben das Becken über die Wärmehalle verlassen, andere steigen jetzt erst ein. Das Grau des ganz frühen Morgens hat sich verzogen. Erste Sonnenstrahlen treffen glitzernd auf die Wasseroberfläche. Fast schon kitschig steigt Wasserdampf über dem Becken auf. Cornelia Hall bekommt davon nichts mit. Sie hat sich in das Springerbecken etwas abseits verzogen. Oder, wie sie es nennt, in den „kleinen Atlantik“. Tatsächlich ist das Wasser hier tiefblau und auch die Temperatur erinnert an das offene Meer. 15 Grad waren es zu Saisonbeginn. Auch das hat Cornelia Hall nicht abgehalten. Inzwischen hat das ungeheizte Becken im Schatten der Steintribüne fast angenehme 18 Grad Temperatur erreicht. „Ich liebe das kalte Wasser“, sagt die 67-Jährige. Cornelia Hall ist seit 2018 eine der Frühschwimmerinnen. Auch im Winter behält sie das bei. Dann natürlich im Hallenbad. Für Jürgen Sauer kommt das dagegen nicht in Frage. „Ne, Hallenbad ist nicht so meins“, sagt er. Dafür zählt er jedes Jahr die Tage runter, bis die Mollbeck wieder öffnet. An diesem Morgen hat er sein Programm fast geschafft. Für ein paar Fotos hat er aber noch Zeit. „Ich komme in die Zeitung und auf Instagram. Du kannst ja mein erster Follower werden“, ruft Jürgen Sauer einer Schwimmerin zu. Sie lachen beide. Dann geht es für Sauer auf die letzten Bahnen. Danach kann der neue Arbeitstag beginnen.

Jürgen Bröker

Lesen Sie auch im Bereich "Freizeit"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin