Fünf antisemitische Vorfälle pro Woche
Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) NRW hat ihren ersten Jahresbericht vorgelegt. 2022 registrierte sie 264 Vorfälle, 75 davon in Westfalen.
Die RIAS hat erst im vergangenen Jahr ihre Arbeit aufgenommen. Sie ist eingerichtet worden, um Antisemitismus besser zu dokumentieren und die Dunkelfelder auszuleuchten. Denn: Dokumentiert werden Vorfälle unabhängig vom politisch-weltanschaulichen Hintergrund der Täterinnen und Täter und auch jene, die keinen Straftatbestand erfüllen, heißt es im ersten Jahresbericht. Insgesamt würden in NRW statistisch betrachtet jede Woche fünf antisemitische Vorfälle gemeldet.
Die RIAS NRW dokumentiert diese, sortiert sie in bestimmte Kategorien: Gab es Gewalt oder einen physischen Angriff? Ging es um Sachbeschädigung? Wurden Menschen bedroht oder auf andere Weise verletzt? So erfasste die Dokumentationsstelle 2022 landesweit vier Fälle von extremer Gewalt, fünf Angriffe, sechs Bedrohungen, 27 gezielte Sachbeschädigungen, neun Massenzuschriften, 60 Versammlungen sowie 153 Fälle verletzenden Verhaltens. Besonders erschütternd sei die im bundesweiten Vergleich hohe Anzahl von Vorfällen extremer Gewalt. Hierzu zählte auch der Anschlag auf die Synagoge in Essen, ein Brandanschlag auf eine Schule neben der Bochumer Synagoge sowie ein weiterer geplanter Anschlag in Dortmund.
Morddrohungen und Beschimpfungen
Ein Beispiel für Bedrohung ereignete sich im Regierungsbezirk Detmold. Über Facebook erhielt ein Mensch, der sich öffentlich gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus engagiert, eine indirekte Morddrohung. Auf ihn warte das gleiche Schicksal wie das des 2005 von einem Neonazi in Dortmund ermordeten Punks Thomas „Schmuddel“ Schulz, hieß es dort.
Das Internet und die sozialen Medien sind aber nur zu einem geringen Anteil Tatort von Antisemitismus. Der Großteil der 264 Vorfälle ereignete sich im öffentlichen Raum, auf der Straße, in Bildungseinrichtungen, an Gedenkorten oder auch im Öffentlichen Nahverkehr, zeigt die Dokumentation. Die RIAS NRW erfasst die gesamte Bandbreite antisemitischer Übergriffe. Auch einzelne verbale Verunglimpfungen. So wurde ein Jude in seinem Wohnumfeld mehrfach angefeindet und von einem Nachbarn als „Judensau“ beschimpft. Solche Anfeindungen im direkten Wohnumfeld seien für Betroffene häufig besonders bedrohlich und beängstigend, da der Schutz vor antisemitischen Übergriffen im eigenen Wohnumfeld nicht gegeben sei, heißt es in dem Bericht.
Die RIAS NRW ist eingerichtet worden auf Initiative und mit Unterstützung sowohl der jüdischen Landesverbände, Gemeinden und Gemeinschaften wie auch der Antisemitismusbeauftragten des Landes NRW, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die Einrichtung hat ihren Sitz in Düsseldorf und ist unter www.rias-nrw.de zu erreichen.
jüb/wsp