Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat ihre G7-Amtskollegen nach Münster eingeladen. Die Arbeitstreffen finden im historischen Friedenssaal statt. Foto: photothek.de/Auswärtiges Amt
03.11.2022

G7-Treffen in der Friedensstadt

In Münster treffen sich die G7-Außenminister, um unter anderem zum Krieg in der Ukraine zu beraten. Im Interview erklärt der Historiker und Konfliktforscher Prof. Gerd Althoff, welche Impulse von Münster ausgehen können und wie Münster zur Friedensstadt wurde.

In Zeiten des Krieges in Europa – welche Impulse können vom G7-Treffen in Europa ausgehen?
Der wichtigste Impuls ist sicher, dass die G7-Staaten Einigkeit zeigen. Dass sie deutlich machen, dass sämtliche russische Spekulationen auf Brüchigkeit der westlichen Bündnisse mit der Ukraine irreal sind. Das könnte vielleicht auch in Russland Kräfte zum Nachdenken bringen, ob es sich lohnt, diesen Abnutzungskrieg weiter zu führen.

Können wir aus dem Westfälischen Frieden etwas für den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine lernen?
Die schwierige Frage lautet eigentlich, ob man aus der Geschichte überhaupt etwas Konkretes lernen kann. Ich würde sagen, man kann auf jeden Fall lernen, dass das Bemühen um Frieden vergeblich ist, wenn beide Seiten nicht bereit sind, Vertrauen einzubringen. Das ist in den Verhandlungen des Westfälischen Friedens in einzelnen Schritten erfolgreich gemacht worden. Im Krieg zwischen der Ukraine und Russland wiederum ist das zurzeit überhaupt nicht zu sehen. Im Gegenteil: Man überschlägt sich mit Drohungen und Forderungen. Dass man sich – wie es bei der Beendigung des Kalten Krieges geschehen ist – durch persönliche Annäherung Frieden schafft, ist in diesem Krieg bisher überhaupt nicht zu erkennen.

Sie haben keine Hoffnung auf baldigen Frieden?
Wenn es keine Geheimdiplomatie geben sollte – also Verhandlungen, die von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden –, dann bleibt im Augenblick nur die Hoffnung auf eine Ermüdung der beiden Parteien. Diese hat ja auch den Westfälischen Frieden erst möglich gemacht. Beide Parteien müssten an den Punkt kommen, dass sie sich von weiteren Kriegshandlungen nichts mehr versprechen.

37 Portraits der Souveräne und der wichtigsten Gesandten erinnern an die diplomatischen Verhandlungen, die 1648 mit dem Westfälischen Frieden den Dreißigjährigen Krieg beendeten. Die Portraitgalerie kaufte der Rat der Stadt bereits 1649 an.Foto: Stadt Münster/Heiner Witte

37 Portraits der Souveräne und der wichtigsten Gesandten erinnern an die diplomatischen Verhandlungen, die 1648 mit dem Westfälischen Frieden den Dreißigjährigen Krieg beendeten. Die Portraitgalerie kaufte der Rat der Stadt bereits 1649 an. Foto: Stadt Münster/Heiner Witte

Wie könnte ein Friedensplan aussehen?
Dazu sind sicher viele Schritte nötig. Sie beginnen mit dem Zurücknehmen von Drohungen, vor allem der Drohung mit einem Atomschlag, bis hin zur Zurücknahme der Diffamierung des Gegners. Wenn diese Schritte nicht vorangehen, ist ein Treffen, ein gemeinsames Sitzen an einem Tisch von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Wie wichtig ist der Westfälische Friede für die heutige Diplomatie?
Das Westfälische System, welches hier erfunden worden ist, das die Souveränität der einzelnen Staaten und ihre Gleichberechtigung unabhängig von ihrer Macht grundgelegt und auch gefestigt hat, ist sicher eine Sache, die im diplomatischen Denken heute noch präsent ist.

Münster gilt seit dem Friedensschluss 1648 als Friedensstadt – zurecht?
Der Westfälische Frieden ist natürlich für das Selbstverständnis der Münsteraner schon sehr prägend. Deshalb wird oft von der Friedensstadt Münster gesprochen. Große andere Impulse oder Friedensinitiativen, die von hier ausgegangen wären, sind mir allerdings nicht bekannt.

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Welche Rolle spielt der Wissenschaftsstandort Münster in der Friedensforschung?
Bei einer weltweiten Betrachtung muss man sicher auch hierzu sagen, dass Münster keine Großstadt der Friedensforschung ist. Hier gibt es keine Institution, die sich hauptamtlich mit dem Frieden beschäftigt. Es gibt aber viele andere Städte in Europa und in der Welt, die berühmte Friedensforschungsstätten haben. Aber die Universität – hier vor allem die Geistes- und Sozialwissenschaften – hat sich immer wieder mit dem Thema Frieden beschäftigt. Wir haben auch Friedensausstellungen mit den Museen zusammen entwickelt und Ähnliches. Insofern hat das Thema Frieden auch in Münster Resonanz.

Und es gibt mit dem Friedenssaal einen historischen Ort für das G7-Treffen. Dort wurde 1648 der Westfälische Friede geschlossen. Wie kam man damals auf Münster?
Der 30-Jährige Krieg hatte bereits lange gedauert. Damals suchten die Kriegsparteien Stätten, die nicht zerstört waren, an denen sie verhandeln konnten. So ist man auf die Städte Osnabrück und Münster gekommen. Münster war dann Gastgeber und nicht Akteur. Die Stadt hat die Verhandlungen nicht initiiert und auch nicht beeinflusst. Aber die Nachwirkungen des Friedensschlusses zeigen sich noch heute, etwa im modernen Völkerrecht oder der Anerkennung der Souveränität von Staaten. Dadurch strahlt der Glanz des Westfälischen Friedens bis in unsere Zeit und auch auf Münster. Deshalb ist das Ereignis für Münster und die Münsteraner auch so wichtig.

Interview: Jürgen Bröker

Prof. Dr. Gerd Althoff. Foto: WWU/ Peter Grewer

Prof. Dr. Gerd Althoff. Foto: WWU/ Peter Grewer

Der Historiker Prof. Gerd Althoff forscht am Exzellenzcluster Religion und Politik der Westfälischen Wilhelms-Universität. 2018 hat er das Ausstellungsprojekt über „Frieden. Von der Antike bis heute“ in fünf Münsteraner Museen wissenschaftlich begleitet. Damals hatten Münsteraner Museen in einer außergewöhnlichen Kooperation das Thema Frieden umfassend und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Anlass waren der 400. Jahrestag des Ausbruchs des 30-jährigen Krieges, das Ende des 30-Jährigen Krieges vor 370 Jahren und das Ende des 1. Weltkrieges, das 2018 zum 100. Mal jährte.

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