Ganz groß am Kontrabass
Jazzmusikerin Caris Hermes ist mit dem WDR Jazzpreis 2024 ausgezeichnet worden. Wir haben die Musikerin in Heft 5/2022 vorgestellt.
Es war Liebe auf den ersten Ton: „In dem Moment als ich das Instrument in der Hand hatte, wollte ich kein anderes mehr spielen.“ Caris Hermes, Kontrabassistin und Jazzmusikerin, erinnert sich gerne an das erste Mal mit Bass in der Hand. Damals spielte sie noch Cello, im Unterrichtsraum der Musikschule stand zufällig ein Kontrabass in der Ecke, Schicksal? Diese Begegnung besiegelte für sie das Ende ihrer klassischen Streicherkarriere, es ging nun nur noch um Bass und Jazz: „Ich hatte als Dreijährige mit der Geige begonnen, spielte dann klassisches Cello und nun musste es dieses große Streichinstrument sein.“
Ihr Vater erkannte die Situation und kaufte Caris ihren ersten Kontrabass. Doch der Anfang fiel ihr schwer, erzählt sie. Der enorme Saitendruck sei eine Herausforderung gewesen, sie habe zunächst einfache Jazzstandards transkribiert und sich das Spielen selbst beigebracht. Tatsächlich bekam die in Geseke geborene Caris Hermes ihren ersten regelmäßigen Instrumentalunterricht erst als Jungstudierende bei John Goldsby an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Auf die Aufnahmeprüfung hatte sie sich selbst vorbereitet.
„In unserem Haus lief immer Jazzmusik“
John Goldsby wurde einer der wichtigsten Wegbegleiter im Leben der Jazzmusikerin, so wie es zuvor schon der Vater, Saxophonist Dieter Hermes, war: „In unserem Haus lief immer Jazzmusik, ich tanzte als kleines Mädchen zu Duke Ellingtons ‚Caravan‘ und spielte später gemeinsam mit meinem Vater. Er wusste, wo coole Jazzworkshops liefen, und motivierte mich in allen Belangen. Ich verdanke meine Karriere ihm und vielen wichtigen Förderern.“
Sie habe aus dem Unterricht bei Goldsby und später bei Robert Landfermann die positive Energie geschöpft, den Schritt zur Berufsmusikerin zu wagen. Heute wohne sie in Köln, aber die Studienzeit in Essen habe sie geprägt und auch stilistisch in den Straight-ahead-Jazz gelenkt, der Free Jazz sei nicht ihre Welt. „Jazzer wie Paul Heller und Martin Sasse haben immer an mich geglaubt und haben mich überall mit hingenommen“, erzählt die Dreißigjährige. Erst habe sie bei deren Konzerten geholfen, dann in den Proben mitgespielt und zuletzt mit ihnen auf der Bühne gestanden.
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Heute ist Caris Hermes als „Sidewoman“ eine der meistgebuchten Gastmusikerinnen in der Jazzszene. 2020 hätte ein perfektes Jahr werden sollen, ein Stipendium für einen Aufenthalt in New York hatte sie in der Tasche, 150 gebuchte Konzerte, darunter auch in London: „Dann hat Corona mir den Boden unter den Füßen weggerissen und alles zunichtegemacht.“ Ihre Jazzfreunde motivierten sie, endlich eine eigene CD zu produzieren. 2021 war es so weit. Ihr erstes Album präsentierte sie im Herbst 2022 bundesweit. Aber warum muss es bei ihr eigentlich der Kontrabass sein? „Ich liebe es, einer Band und der Musik den Boden zu geben, das Fundament, das erdet mich und verschafft mir ein enormes Glücksgefühl“, schwärmt Caris Hermes.
Matthias Schröder