Generationenwechsel
Am 1. November scheiden in Westfalen einige langjährige Kommunalpolitikerinnen und -politiker aus ihren Ämtern aus.
Mit 26 Jahren im Amt ist der Gütersloher Landrat Sven Georg Adenauer wohl der Rekordhalter unter den Verwaltungschefs. Der 66-Jährige, Enkel von Konrad Adenauer, dem ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, hatte sich bei der Kommunalwahl 2025 nicht mehr zur Wahl gestellt. Der Abschied falle ihm schwer, sagt Adenauer im September im Interview mit dem Radiosender WDR5. Er mochte die Unmittelbarkeit in der Kommunalpolitik und die direkte Verbindung zu Wählerinnen und Wählern – egal, ob es um Polizeiangelegenheiten oder auch um Schützenfeste ging. Im Rückblick auf mehr ein Vierteljahrhundert als Landrat kritisierte der Jurist aber auch manche Entwicklungen: Das Anspruchsdenken von Bürgerinnen und Bürgern sei spürbar größer geworden und der Ton rauer. Nun zieht es den gebürtigen Bonner zurück ins Rheinland. Dort wollte er eigentlich Präsident des 1. FC Köln werden. Mit diesem Traumjob hat es vorerst allerdings nicht geklappt. Seine Nachfolgerin in Gütersloh ist Ina Laukötter. Die gelernte Industriekauffrau, geboren 1980 in Rheda-Wiedenbrück, wird in der neuen Legislaturperiode die einzige Landrätin in Westfalen und nur eine von drei Frauen in diesem Spitzenamt in NRW sein.

Sven Georg Adenauer war 26 Jahre lang Landrat im Kreis Gütersloh. Foto: Kreis Gütersloh
18 Jahre lang führt Eva Irrgang das Landratsamt im Kreis Soest. Damit zählte auch sie über viele Jahre zu den wenigen Frauen in dieser Position. Sie würde sich wünschen, dass sich mehr Frauen politische Spitzenämter zutrauen, sagte Irrgang in einem Interview mit dem Westfalenspiegel: „Man muss so ein Amt wollen“ und „Spaß an der Sache haben“. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass man als Landrätin auch in der Lage sein müsse, sich die Verpflichtungen, die das Amt mit sich bringt, zeitlich zu leisten. Am 1. November übergibt die 68-Jährige ihr Amt nun offiziell an den Juristen Heinrich Frieling. Der 40-Jährige hat seit 2017 Soest als CDU-Abgeordneter im NRW-Landtag vertreten.
Auf 18 Jahre an der Spitze einer Kommune kommt der Siegener Bürgermeister Steffen Mues, der in einer äußerst knappen Stichwahl aus seinem Amt gewählt wurde. Sein Herausforderer, der Jurist und SPD-Mann Tristan Vitt, siegte mit einem Vorsprung von lediglich sieben Stimmen. „Bürgermeister von Siegen sein – das war mein Traumberuf“ sagte der CDU-Politiker Mues kurz nach der Wahl. In seiner Abschiedsrede nach 169 Ratssitzungen forderte er mit deutlichen Worten mehr Wertschätzung für das Engagement von Politikerinnen und Politikern ein: „Die ehrenamtliche Tätigkeit in politischen Gremien unserer Kommunen ist der Kern der Demokratie in unserem Land. Es ist für mich unerträglich, wie wenig Dank dem kommunalen Ehrenamt entgegengebracht wird.“ „Kümmert euch um Bielefeld und um die Demokratie!“ Mit dieser Aufforderung verabschiedete sich Bielefelds langjähriger Oberbürgermeister Pit Clausen in dieser Woche in den Ruhestand. 16 Jahre führte der Jurist und ehemalige Richter die Amtsgeschäfte der ostwestfälischen Großstadt. Abgelöst wird er von Christiana Bauer von der CDU. Die Richterin, 1989 in Passau geboren, setzte sich in der Stichwahl knapp durch. Sie wird die jüngste Oberbürgermeisterin Deutschlands sein, heißt es in Medienberichten.

Krisenerprobt: Münsters scheidender Oberbürgermeister Markus Lewe begutachtete im Sommer 2014 die Schäden nach der Starkregen-Katastrophe. Foto: Stadt Münster
Ebenfalls drei Legislaturperioden lang war Markus Lewe als Oberbürgermeister in Münster im Amt. Während seiner Zeit als „erster Bürger“ seiner Heimatstadt musste der 60-Jährige angesichts von Katastrophen wie dem Starkregen 2014 und der Amokfahrt 2018 oder auch der Corona-Pandemie mit einigen Herausforderungen umgehen. „Jede Krise hat unsere Verwaltung geprüft. Zugleich hat Münster gezeigt, dass die Stadt zusammenhält – verantwortungsbewusst, solidarisch und mit großem bürgerschaftlichen Engagement“, sagt Lewe heute im Rückblick. Nach 16 Jahren im Amt sei es nun Zeit, Verantwortung weiterzugeben, so der noch amtierende „OB“. Ab dem 1. November übernimmt ein Vertreter der Grünen das Amt von dem CDU-Mann. „Ich gehe mit Dankbarkeit und der Zuversicht, dass mein Nachfolger Tilman Fuchs die Entwicklung unserer Stadt gut fortsetzen wird“, sagt Lewe zum Abschied.
Im Ruhrgebiet war Bernd Tischler (SPD) 16 Jahre lang Oberbürgermeister von Bottrop. Zu dessen wichtigsten Projekten zählte der klimagerechte Stadtumbau im Rahmen der „Innovation City“. Zahlreiche deutsche Kommunen nahmen sich bei diesem Thema Bottrop zum Vorbild. Gefragt nach der größten Verwaltungsleistung unter seiner Führung, nennt der 66-Jährige gegenüber der WAZ jedoch ausgerechnet ein Kulturprojekt: den 2022 eröffneten Neubau des Josef Albers Museums. Tischler und die Verwaltung hatten lange um Fördergelder geworben, um das Vorhaben zu verwirklichen. Sein Nachfolger ist nun Matthias Buschfeld, 1989 in Bottrop geboren und seit vielen Jahren dort politisch aktiv. Sein Antrieb sei der Kampf für soziale Gerechtigkeit. „Wenn ich eins nicht ausstehen kann, dann ist das Ungerechtigkeit“, sagt der Sozialdemokrat über sich selbst.
Annette Kiehl, wsp