
Gewaltiger Strukturwandel
In Nordrhein-Westfalen steht ungefähr jede zweite Kirche leer oder ist von Leerstand bedroht. Welche Perspektiven gibt es?
Von ungefähr 6000 Kirchen in NRW werden in den kommenden Jahren 30 bis 50 Prozent leer stehen, schätzt der Innenarchitekt Felix Hemmers, der sich im Auftrag des Vereins Baukultur NRW mit Umnutzungen von sakralen Gebäuden beschäftigt und die Ausstellung „Kirchen als Vierte Orte“ konzipiert hat. Diese Bauwerke sind Symbole eines gewaltigen Strukturwandels: Den Kirchen fehlen zunehmend Mitglieder und damit auch Einnahmen aus Kirchensteuern. So stehen die Evangelische wie auch die Katholische Kirche vor der Aufgabe, Strategien im Umgang mit den Immobilien zu entwickeln.
Oft stehen als Optionen ein Verkauf, eine Umnutzung oder gar ein Abriss im Raum. In den betroffenen Gemeinden sind viele Erinnerungen mit den Kirchen verbunden. Wichtige Lebensereignisse wie Hochzeiten und Taufen wurden dort gefeiert. „Zahlreiche Kirchen wurden mit Unterstützung von Spenden oder tatkräftiger Hilfe von Gemeindemitgliedern gebaut. Und selbst Menschen, die nicht religiös sind, haben einen emotionalen Bezug zur Kirche in ihrem Quartier. Wenn es dort keine Gaststätte mehr gibt, dann ist die Kirche oft der letzte verbliebene Treffpunkt“, sagt Hemmers.
Für Umnutzungen gibt es bereits zahlreiche und auch umstrittene Beispiele – von der Wohnkirche über den Konzertsaal bis hin zum Fahrradladen. Die Entwicklungen solcher Nachnutzungen sind in der Regel lange Prozesse. Hemmers sieht aber Chancen: „Kirchen haben ein großes Potenzial für Städte, zum Beispiel wenn Raum für Wohnen, Soziales oder auch für eine Kita benötigt wird.“ Über die Frage, was aus einer Kirche wird, die nicht mehr für Gottesdienste benötigt wird, entscheiden in der Regel die einzelnen Gemeinden bzw. Kirchenkreise oder Pfarreien.
Die Ausstellung ist in verschiedenen Städten in NRW zu sehen. Präsentiert werden 27 Beispiele für neue Nutzungen von leerstehenden oder von Abriss bedrohten Kirchen. Im Fokus der Schau stehen aber auch Menschen, die sich aus unterschiedlichen Gründen mit diesen Veränderungsprozessen beschäftigen. So soll die Ausstellung Impulse für die Zukunft sakraler Gebäude geben und Dialoge rund um dieses Thema eröffnen.
„Kirchen als Vierte Orte – Perspektiven des Wandels“ ist vom 23. Februar bis 6. April in der Christuskirche in Hamm zu sehen. Zu den weiteren Stationen zählen in diesem Jahr Soest und Münster. Weitere Informationen hier.
aki, wsp