Der belgische Theatermacher Ivo van Hove leitet die Ruhrtriennale 2024-2026. Foto: Thomas Berns, Ruhrtriennale
16.08.2024

Glamour und Bodenhaftung

Zum Start der Ruhrtriennale stellen wir den neuen Intendanten Ivo Van Hove vor. Der Belgier holt Sandra Hüller und Isabelle Huppert auf die Bühne. Lesen Sie hier einen Beitrag aus dem WESTFALENSPIEGEL 03/2024.

Viermal hat er am Broadway inszeniert. Die Uraufführung des Musicals „Lazarus“ von David Bowie fand unter seiner Regie statt. Ivo Van Hove ist außerdem Dauergast an den großen Bühnen in Frankreich und England und hat mit mehreren Weltstars zusammengearbeitet. Mehr internationale Erfahrung kann ein Intendant der Ruhrtriennale kaum mitbringen. In den nächsten drei Jahren leitet der 65-jährige Belgier das Festival in den Hallen und Zechen des Ruhrgebiets. „I Want Absolute Beauty“ – so heißt das Musiktheater nach Songs der britischen Allroundkünstlerin PJ Harvey. Die oscarnominierte Schauspielerin Sandra Hüller singt und spielt, das Tanztrio (La)Horde ist ebenfalls dabei, das auch die „Celebration“-Tour von Madonna mitchoreografiert hat. Das klingt nach einem Blockbuster, wie ihn Ivo Van Hove schon manchmal geliefert hat. Aber Van Hove verweist darauf, dass „I Want Absolute Beauty“ in seiner Mischung aus Tanz und Gesang etwas Neues ist. „So etwas habe ich noch nie gemacht“, sagt er im Gespräch, „das ist ein Experiment, ein Entwicklungsprozess.“

Faszination für die Industriehallen

Die Pressekonferenz der Ruhrtriennale: Ivo Van Hove steht in der Turbinenhalle, direkt neben der riesigen Bochumer Jahrhunderthalle, dem Hauptspielort des Festivals. Neben dem Rednerpult rostet eine wuchtige Maschine vor sich hin. Ivo Van Hove beherrscht die Technik, mit leiser Stimme zu sprechen, freundlich und nahbar zu wirken, aber nicht zu bescheiden. Er weiß genau, was er will. Die Rede ist strukturiert und pointiert, er wirkt im weißen Hemd ohne Krawatte auf zurückhaltende Weise elegant. Die Ruhrtriennale kennt er seit ihren Anfängen unter Gérard Mortier, seinem belgischen Landsmann. Erst war er nicht als Regisseur dabei, sondern als Zuschauer, fasziniert von den Möglichkeiten des Spielens in den Industriehallen. An solchen Orten hat er selbst angefangen. „Ich bin ein Kind der 1970er Jahre“, erzählt Ivo Van Hove später im Gespräch. „Damals wollte ich Regisseur werden, fand aber das belgische Theater einfach nur schrecklich. Wir haben in einer leeren Halle am Hafen von Antwerpen gespielt, vergleichbar mit der Bochumer Jahrhunderthalle.“ Andere Spielorte waren der Keller eines Cafés, das er zwei Jahre lang zusammen mit Freunden betrieben hat. Oder auch mal Privatwohnungen.

Experimenteller Regisseur

Heute gilt er in den USA und in Frankreich als experimenteller Regisseur, im deutschen Sprachraum eher als Geschichtenerzähler. Er selbst mag die Beschreibung in der New York Times, die ihn einen „maximalen Minimalisten“ nannte. „Mein Theater ist emotional, aber nie sentimental“, sagt Ivo Van Hove. „Ich möchte die Geschichte so klar wie möglich erklären. Ich mache Theater für ein Publikum, das so vielfältig ist wie möglich.“ Damit liegt Ivo Van Hove genau auf der Linie der Ruhrtriennale. Denn das Festival soll zwar Kunst auf höchstem Niveau präsentieren, aber niemals elitär werden. Das ist in den vergangenen Jahren etwas in Vergessenheit geraten. Van Hove will diese Tradition wiederbeleben. Er hat das Programm auf viereinhalb Wochen konzentriert und lockt auch tagsüber mit Schnupperkonzerten, kostenlosen Workshops und kulinarischen Häppchen ins Festivalzentrum Wunderland an der Bochumer Jahrhunderthalle.

Die musikalische Komödie "Pferd frisst Hut" vom Theater Basel mit Musik von Herbert Grönemeyer ist in Duisburg im Rahmen der Ruhrtriennale zu sehen. Foto: Thomas Aurin

Die musikalische Komödie „Pferd frisst Hut“ vom Theater Basel mit Musik von Herbert Grönemeyer ist in Duisburg im Rahmen der Ruhrtriennale zu sehen. Foto: Thomas Aurin

An bekannten Namen herrscht kein Mangel. Der französische Theater- und Kinostar Isabelle Huppert spielt ein Solo als „Bérénice“ von Jean Racine, die Geschichte der Liebe einer jüdischen Königin und des römischen Kaisers Titus. Doch sie dürfen aus politischen Gründen nicht zusammen sein. Aus Basel kommt das Slapstick-Operetten-Musical „Pferd frisst Hut“ mit Musik von Herbert Grönemeyer. „Chorwerk Ruhr“ wird in einem inszenierten Konzert Musik von Anton Bruckner und der isländischen Sängerin Björk zusammenbringen. Und Anna Teresa De Keersmaeker – eine langjährige Weggefährtin Ivo Van Hoves – wird eine völlig neue Choreografie im Museum Folkwang schaffen und auf die Kunstwerke dort reagieren. Das Programm bietet eine faszinierende Mischung aus großen Persönlichkeiten, schrägen, originellen Abenden und einer bodenständigen Annäherung an das Ruhrgebiet. Leider ist diesmal die Maschinenhalle in Gladbeck als Spielort nicht dabei, das soll sich in den kommenden Jahren wieder ändern. Mit der Uraufführung „Legende“ des russischen Starregisseurs Kirill Serebrennikov, die später am Hamburger Thalia-Theater gezeigt wird, ist Ivo Van Hove ein weiterer Coup gelungen, der Theater auf internationalem Niveau verspricht.

Stefan Keim

Dieses Porträt ist im WESTFALENSPIEGEL 03/2024 mit unserem Schwerpunkt zum Festivalsommer erschienen. Mehr zum Programm der Ruhrtriennale finden Sie hier.

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