„Hände weg vom Ruhrgebiet!“
Mehr als 30.000 Gäste haben die Ausstellung „Hände weg vom Ruhrgebiet! Die Ruhrbesetzung 1923–25“ im Ruhr Museum in Essen bereits gesehen. Nun endet sie bald.
Die Schau mit dem Titel „Hände weg vom Ruhrgebiet! Die Ruhrbesetzung 1923–1925“ zeigt die Geschichte der Ruhrbesetzung und die Erfahrungen der Bevölkerung und der Besatzer in sechs Kapiteln. Mehr als 200 Exponate haben die Ausstellungsmacher zusammengetragen – darunter zahlreiche Fotografien, seltenes Filmmaterial, Postkarten, Flugblätter, Plakate, Ausweise und weitere Dokumente, aber auch Medaillen, Gedenktafeln, Waffen und Uniformen, teilt das Museum mit.
Neben vielen blutigen Konflikten gab es in dieser Zeit auch einige hoffnungstiftende Geschichten. Etwa die vom „Dattelner Abendmahl“. Dieses fand am Karfreitag, dem 30. März 1923, im Lutherhaus in Datteln statt. Damals reichte der französische Offizier Etienne Bach gekleidet in Uniform dem Amtsbeigeordneter des Amtes Datteln Karl Wille seine Hand zur Versöhnung. Fortan hätten in der Stadt im Kreis Recklinghausen die französische und die deutschte Seite konstruktiv nach Lösungen zum Wohl der Zivilbevölkerung gesucht, erklärt Thomas Mämecke, heutiger Pfarrer und Vorsitzender des Presbyteriums der Evangelischen Kirchengemeinde Datteln, gegenüber dem WESTFALENSPIEGEL.
Französischer Offizier hinterlässt in Datteln Spuren
Etienne Bach habe der Evangelischen Kirchengemeinde Datteln bei einem Besuch 1963 einen Abendmahlskelch im Gedenken an seine Begegnung vom Karfreitag 1923 gestiftet hat, so Mämecke weiter. Der Kelch ist ebenfalls in der Ausstellung im Ruhr-Museum zu sehen. In Erinnerung an die Friedensgeste des französischen Soldaten wird in Datteln seit 2017 der „Etienne-Bach-Preis“ für Brückenbauerinnen und Brückenbauer vergeben.
Die Ausstellung im Ruhr Museum zeigt, wie sich die Besetzung des Ruhrgebiets auf die Lebensbedingungen der Menschen auswirkte. Die Besetzung fiel in eine Zeit, in der Deutschland nach dem verlorenen 1. Weltkrieg – so war es im Versailler Vertrag vereinbart worden – Reparationszahlungen leisten musste. Da die deutsche Seite mit diesen Zahlungen in Verzug war, besetzen französische und belgische Soldaten im Januar 1923 das Revier. Zwischen dem 11. und 16. Januar rückten rund 60.000 Soldaten mit Panzern, Infanterie, Kavallerie sowie Fahrrad- und Maschinengewehr-Einheiten in die Städte des Ruhrgebiets ein, teilt das Ruhr Museum mit.
Krisenjahr 1923
Bereits am 13. Januar rief die Reichsregierung die Bevölkerung zum passiven Widerstand gegen die Besatzer auf. Sämtliche Reparationszahlungen wurden eingestellt. Jede Zusammenarbeit mit den Besatzern sollte unterbleiben. Die Besatzer reagierten mit Ausgangssperren und Ausweisungen. Täglich gab es Konflikte zwischen Franzosen, Belgiern und den Menschen im Ruhrgebiet. Nicht wenige endeten blutig oder gar tödlich. In der Folge der Besatzung wurde 1923 wurde zum Krisenjahr, das von Inflation, Umsturzversuchen, Gewalt, Armut und Arbeitslosigkeit geprägt war. In den besetzten Gebieten kam es zu zahlreichen Zwischenfällen, erklärt das Museum weiter. So sprengten Saboteure im April 1923 etwa den Rhein-Herne-Kanal bei Henrichenburg und machten dadurch den Schiffsverkehr unmöglich.
jüb/wsp
Die Ausstellung in Essen im Ruhr Museum ist vom 12. Januar bis 27. August zu sehen. Weitere Informationen zu den Öffnungszeiten des Museums gibt es hier.