Besonders die ländlichen Regionen Westfalens sind vom Ärztemangel betroffen. Foto: Pixelio
28.04.2022

Hausarzt gesucht

In vielen ländlichen Kreisen Westfalens fehlen Ärzte. Vor allem in Süd- und Ostwestfalen gibt es nicht genügend Hausärzte; auch bei Kinder- und Augenärzten sowie Psychiatern herrscht in einigen Regionen Mangel, zeigen Statistiken. In unserer Serie zur Landtagswahl fragen wir die Parteien: wie wollen Sie die medizinische Versorgung in Westfalen sichern?

„Hausärzte gesucht!“ – viele Kreise und Gemeinden sind längst kreativ geworden, um Mediziner zu überzeugen, sich vor Ort niederzulassen. Sie bieten zum Beispiel Stipendien oder Weiterbildungen für Nachwuchsmediziner an, um sie für eine spätere Tätigkeit in der Region zu begeistern. Im Rahmen des Programms „Mit Praxis zur Praxis“ testen zwei Ärztinnen ein Jahr lang das Leben als Hausärztin in Herford. Mit einem Versorgungsgrad von nur 75 Prozent zählt der ostwestfälische Kreis zu den Fördergebieten der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL).

Die Diagnose ist klar: Es gibt dort zu wenige Ärzte. Daher unterstützt die KVWL ein Programm, in dem Gilda Kaskian und Dr. Zirka Shameska ein Jahr lang als angestellte Ärztinnen in ein bis zwei Praxen im Kreis Herford arbeiten. Mit einem „Rundum-Sorglos-Paket“ werden die „Praxismacherinnen“ bei der Suche nach Wohnung, Kita-Platz oder auch einem Arbeitsplatz für den Partner unterstützt. Sie erhalten Zuschüsse zum Pendeln oder für Umzugskosten. Das Testjahr soll den Ärztinnen die Scheu vor der eigenen Praxis nehmen. 450.000 Euro investiert die KVWL insgesamt in das „deutschlandweit einmalige Projekt“ – verbunden mit der Hoffnung, dass die jungen Allgemeinmedizinerinnen langfristig im Kreis Herford arbeiten. 

 

Doch können solche Projekte und Förderungen die Lösung für den Ärztemangel bringen? Kurz vor der Landtagswahl haben wir die Parteien gefragt, was sie tun wollen, damit es in Zukunft auch auf dem Land Hausärzte gibt. Hier ihre Antworten:

CDU: Die CDU sorgt für eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe Gesundheitsversorgung überall in Nordrhein-Westfalen, ob in den Städten oder dem ländlichen Raum. Die von der CDU-geführten Landesregierung eingeführte Landarztquote hat sich bei der Bekämpfung des Ärztemangels im ländlichen Raum bewährt. Bewerberinnen und Bewerber erhalten eine Studienplatzgarantie, wenn sie sich verpflichten, nach dem Studium ihre Tätigkeit als Hausarzt auf dem Land in einer unterversorgten Region ausüben. Das kommt auch der Region Westfalen zugute. Wir sichern die medizinische Versorgung in Westfalen, indem wir diese Landarztquote und auch die Zahl der Medizinstudienplätze erhöhen wollen. Zudem haben wir die Region Ostwestfalen-Lippe durch die Gründung einer Medizinischen Fakultät in Bielefeld gestärkt. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass die neue Medizinische Fakultät Hausärztinnen und Hausärzte für die Region ausbildet und für den Ausbau der Medizinischen Fakultät Ostwestfalen-Lippe zu einem Universitätsklinikum eine Milliarde Euro in der Region investieren.

FDP: Wir stehen für eine qualitativ hochwertige, flächendeckende und wohnortnahe Gesundheitsversorgung, gerade auch im ländlichen Raum. Dabei spielt die hausärztliche Versorgung eine zentrale Rolle. Wir wollen gemeinsam mit den Körperschaften die Rahmenbedingungen für innovative Versorgungsangebote und ortsnahe Kooperationsformen verbessern. Um mehr ärztlichen Nachwuchs gerade für ländliche Regionen zu gewinnen, wollen wir mehr Studienplätze an der Universität Witten-Herdecke schaffen und die medizinische Fakultät Ostwestfalen-Lippe weiter ausbauen. Zudem setzen wir uns dafür ein, Landarzt-Förderprogramme wie die Landesförderung für Niederlassungen mit dem Hausarztaktionsprogramm zu verstärken und den Quereinstieg in die Hausarzttätigkeit weiter zu unterstützen. Auch im Bereich der anderen Gesundheitsberufe sind die Ausbildungsangebote zu erweitern und Weiterbildung zu fördern.

SPD: Wir werden in allen Landesteilen für einen guten und wohnortnahen medizinischen Zugang sorgen. Wir wollen mehr Hausärztinnen und Hausärzte für die ländlichen Bereiche Nordrhein-Westfalens, aber auch für die Stadtteile, in denen wenig Privatversicherte zu erwarten sind. Dazu werden wir Anreizsysteme schaffen – durch Studienstipendien, Praxiskredite und mehr Studienplätze für Medizin. Unser Ziel bleibt, dass der erste Anlaufpunkt im Gesundheitssystem die Hausärztin bzw. der Hausarzt ist. Auch bei Fachärztinnen und Fachärzten und besonders Kinderärztinnen und Kinderärzten gehen wir neue Wege, um engagierte Frauen und Männer für diese Aufgabe zu gewinnen. Die Pandemie hat schonungslos gezeigt, wo NRW einen sozialen Neustart nötig hat. Deshalb brauchen wir endlich bessere Arbeitsbedingungen und eine faire Bezahlung für die Pflegekräfte in NRW. Die Schließungen von Krankenhäusern und Krankenstationen werden wir stoppen. Auch ein leeres Krankenbett kann eine wertvolle Reserve sein.  Außerdem werden wir Pflegende und Angehörige von der Bürokratie entlasten und die Eigenanteile für Pflegeheimbewohner*innen deckeln.

Grüne: Gesundheitseinrichtungen müssen für alle Patient*innen gut erreichbar sein und eine hohe Qualität und Verlässlichkeit haben. Gerade in ländlichen Regionen wollen wir die medizinische Versorgung durch „Gesundheitsregionen“ sichern. Unsere Idee ist, dass ambulante und stationäre Angebote gemeinsam geplant werden. In einer Gesundheitsregion schließen gesetzliche Krankenkassen regionale, bevölkerungsbezogene Versorgungsverträge mit regionalen Ärztenetzen und weiteren regionalen Akteur*innen ab. Bestehende Präventions- und Gesundheitsangebote vor Ort müssen einbezogen werden. Die Kommunen können gemeinwohlorientierte, interprofessionelle Gesundheits- und Pflegezentren errichten. Diese Initiativen wollen wir als Modellprojekte fördern. Wir wollen aber auch die Ausbildungskapazitäten im medizinischen Bereich deutlich steigern.  Hochschulen und vor allem die Universitätskliniken sollten Rahmenbedingungen und Kooperationsvereinbarungen schaffen, um die universitäre Ausbildung nach dem Physikum gerade in Krankenhäusern im ländlichen und kleinstädtischen Bereich zu ermöglichen. Denn Studierende, die die Region bereits während des Studiums kennenlernen und Kontakte knüpfen, können sich auch eher vorstellen, dort dauerhaft zu leben. Für die Bindung gerade junger Medizinerinnen und Mediziner ist aber auch die Infrastruktur vor Ort (Kinderbetreuung etc.) wichtig. Neben der Steigerung der Medizinstudienplätze ist deshalb auch eine Attraktivitätssteigerung des Umfelds von Bedeutung.

AfD: Erreicht werden kann eine stabile Versorgung unter anderem mit der Aufhebung der Kopfpauschalen-Vergütung und der Budgetierung der ärztlichen Honorierung und mit der Beendigung der Deckelung im Abrechnungssystem (Degression). Finanzielle und organisatorische Niederlassungshilfen können die Attraktivität ländlicher Regionen erhöhen. Auch der Abbau der Hürden bei der Anstellung von ärztlichem Personal, wie z. B. der Jobsharing-Limitation, und der weitere Ausbau von Arztpraxen/Polikliniken/MVZ mit angestellten Ärzten, auch unter der Trägerschaft der Kommunen, aber unter ärztlicher Leitung, führen zu einer stabilen flächendeckenden medizinischen Versorgung. Die Förderung von Medizinstudenten, die sich nach dem Studium für einen gewissen Zeitraum zu einer Berufstätigkeit in strukturschwachen Gebieten verpflichten, ermöglicht einerseits einen breiteren Zugang zum Studium der Humanmedizin und bietet darüber hinaus die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung in unterversorgten Gebieten; ebenso die Bereitstellung von günstigen Studiendarlehen für Medizinstudenten, die mit einer – auch anteiligen – Berufstätigkeit in unterversorgten Landkreisen sukzessiv erlassen werden.

wsp, Annette Kiehl

Serie zur Landtagswahl

NRW hat einen neuen Landtag gewählt. In unserer Serie blicken wir aus westfälischer Perspektive auf Ergebnisse, Themen und Parteien.

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