Die Ausbildung an den Hebammenschulen in Westfalen ist gefragt. Wie es dort weitergeht, ist allerdings noch ungewiss. Foto: St.-Vincenz-Krankenhaus GmbH
23.01.2020

Hebammenschulen vor dem Aus

Hebammen sollen in Zukunft akademisch an Hochschulen ausgebildet werden – das bedeutet das Aus der Hebammenschulen in Westfalen. Bis 2030 gibt es allerdings eine Übergangsfrist.

Seit Anfang des Jahres sind das Hebammenreformgesetz und die Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen in Kraft. Damit wurde auch die letzte Hürde für die Akademisierung der Hebammenausbildung genommen. Geburtshelferinnen werden künftig ausschließlich an Hochschulen ausgebildet.

Allerdings sieht das Gesetz eine Übergangslösung bis 2030 vor. Bis dahin kann der Praxisteil des Studiums auch an den Hebammenschulen erfolgen. Zu diesem Zweck können entsprechende Kooperationsvereinbarungen zwischen Hochschule und Hebammenschule geschlossen werden. „Nach 2030 findet die Hebammenausbildung dann nur noch an Hochschulen statt“, teilt ein Sprecher des NRW-Gesundheitsministeriums auf Anfrage von westfalenspiegel.de mit.

Hochschulstandorte stehen noch nicht fest

An den fünf etablierten Ausbildungsstandorten für Hebammen in Westfalen – in Ahlen, Bochum, Minden, Paderborn und Rheine – will man die Kooperationsmöglichkeit gerne nutzen. Allerdings stehen die zukünftigen Standorte der Hochschulen immer noch nicht fest. „Wir warten seit über einem Jahr darauf, dass die Hochschulstandorte festgelegt werden, damit wir mögliche Kooperationen mit Hochschulen angehen können“, sagt Andreas Riekötter, Leiter des St. Vincenz-Campus für Gesundheitsberufe in Paderborn.

Ob es in Zukunft in der Region genügend Geburtshelferinnen geben wird, hängt auch von der Verteilung der geplanten Hochschulstandorte für die Hebammenausbildung ab. Foto: Mühlenkreiskliniken

Ob es in Zukunft in der Region genügend Geburtshelferinnen geben wird, hängt von der Verteilung der geplanten Hochschulstandorte für die Hebammenausbildung ab. Foto: Mühlenkreiskliniken

Bisher hätten neben der Hochschule für Gesundheit Bochum, die bereits im Rahmen eines Modellvorhabens einen Hebammenstudiengang anbietet, mehrere Hochschulen aus NRW ihr Interesse bekundet, teilt das Gesundheitsministerium mit. Da kein formales Bewerbungsverfahren vorgesehen sei, entschieden die Hochschulen im Rahmen ihrer Hochschulautonomie selbst über die Einrichtung eines entsprechenden Studiengangs. „Wir setzen uns dafür ein, dass eine flächendeckende und regional ausgewogene Versorgung gewährleistet ist“, so das Ministerium weiter.

Ausbildung in der Region ist wichtig

Das ist von großem Interesse, vor allem in Regionen, in denen sich ein Mangel an Geburtshelferinnen abzeichnet. So sei es für Ostwestfalen-Lippe wichtig, dass dort weiterhin Hebammen und Geburtshelfer ausgebildet würden. „Wir sehen das ja auch beim Thema Ärztemangel. Nur wenn in der Region auch ausgebildet wird, bleiben ausreichend Kräfte hier“, sagt Riekötter. „Wir müssen also junge Menschen hierher holen, um sie von unserer Region zu überzeugen und einen Klebeeffekt zu erzielen.“

Pro Jahr werden in Paderborn bisher 75 neue Hebammen ausgebildet. Hinzu kommen in Ostwestfalen noch die Schüler aus Minden. „Deshalb ist der Mangel an Hebammen in OWL auch noch nicht ganz groß wie anderswo. Aber wenn diese Ausbildung hier wegfällt, muss es Ersatz geben“, sagt Riekötter. Daher strebt die Schule in Paderborn eine Kooperation mit der Katholischen Hochschule NRW an. Da die Fachhochschule Bielefeld ebenfalls Interesse am Studiengang habe, könnte es eine Zusammenarbeit beider Hochschulen geben, so Riekötter.

Hebammenschulen befürworten Akademisierung

Einige Kilometer weiter gibt es bereites eine Zusammenarbeit im Bereich der Pflegeausbildung mit der Fachhochschule Bielefeld. „Wir haben da gute Erfahrungen gesammelt und können uns eine Kooperation bei der Hebammen-Ausbildung daher auch gut vorstellen“, so Oliver Neuhaus, Direktor der Akademie für Gesundheitsberufe der Mühlenkreiskliniken in Minden. Außerdem sei die Hebammenschule in Minden für eine Kooperation sehr gut aufgestellt. So hielten Mühlenkreiskliniken in der Geburtshilfe ein gut ausgestattetes Simulationszentrum in der Akademie vor und verfügten über akademisch ausgebildetes Lehrpersonal.

Grundsätzlich befürworten Neuhaus und Riekötter die Akademisierung des Hebammenberufs. Zwar seien die aktuellen Absolventinnen der Hebeammenschulen hochqualifiziert, allerdings hätten sich auch die wissenschaftlichen Anforderungen an den Beruf erheblich verändert. „Diesen kann nur eine Hochschule gerecht werden“, so Riekötter.

Große Nachfrage nach Hebammenausbildung

Probleme bei der Realisierung des Studiums sieht er vor allem im ambitionierten Zeitplan. „Ich weiß nicht, ob die Hochschulen in der Kürze der Zeit ausreichend qualifiziertes Lehrpersonal finden“, sagt er.

In diesem Jahr läuft die Ausbildung an den fünf grundständigen Hebammenschulen in Westfalen erst einmal weiter wie bisher. „Trotz der Verunsicherung bei den Auszubildenden, wie ihre Ausbildung nach Einführung des Studiums anerkannt wird, gibt es großes Interesse an dem Beruf“, sagt Neuhaus. Teilweise verzeichneten die Ausbildungsstätten mehr als 200 Bewerbungen für gerade einmal 25 Plätze.

Jürgen Bröker/wsp

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