
Herr Rees und das „Wunder von Bern“
Am 4. Juli jährt sich der erste WM-Titel einer deutschen Fußballnationalmannschaft zum 70. Mal. Der Westfale Willi Rees war damals im Wankdorf-Stadion dabei.
Diese Karte hat lange Zeit ein fast vergessenes Dasein in der Nachttischschublade von Willi Rees geführt. Dabei ist es eine ganz besondere Karte, ermöglichte sie Willi Rees doch vor 70 Jahren, am 4. Juli 1954, den Eintritt zum „Wunder von Bern“. Jenem Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft, in dem Helmut Rahn aus dem Hintergrund schoss und Deutschland mit seinem Treffer gegen Ungarn den ersten WM-Titel der Geschichte sicherte. Nun soll die Originaleintrittskarte, die später auch noch von Fritz Walter, Kapitän der Weltmeisterelf, signiert wurde, im Fußballmuseum in Dortmund einen Ehrenplatz finden. Aber der Reihe nach.
Willi Rees war 1954 gerade 18 Jahre jung und lebte in Orchtrup im Münsterland. Er war damals großer Fan der deutschen Fußballnationalmannschaft. „Ich habe zwar selbst nie Fußball gespielt. Ich bin aber – da ich schon früh einen eigenen Wagen hatte – zu verschiedenen Spielen der Nationalmannschaft gefahren“, sagt er. Von der Möglichkeit, noch Karten für das Finale in Bern zu bekommen, erfuhr er aus dem Radio. Man müsse nur anrufen und die Karten beim Sender abholen, hieß es.
Von Ochtrup über Köln nach Bern
Gemeinsam mit seinem Bruder Max fasste er den Entschluss, es zu versuchen. „Wir haben uns dann zum nächsten Telefon aufgemacht und beim Sender angerufen“, erinnerte sich Rees kürzlich in einem Interview mit dem WDR. Das war 1954 gar nicht so einfach, denn seine Familie selbst hatte noch keinen Telefonanschluss. Doch ein Telefon wurde gefunden, und Rees und sein Bruder konnten sich die Karten sichern. „Am nächsten Tag ging es ab in den Zug. Zuerst nach Köln, die Karten abholen, dann weiter nach Bern“, so Rees.

Die Eintrittskarte zum WM-Finale 1954 mit der Unterschrift von Fritz Walter. Foto: privat
Am nächsten Tag erlebte er dort das weltmeisterliche Finale bei allerdings wenig weltmeisterlichem Wetter. Es schüttete wie aus Kübeln. Der Regen durchnässte die Spieler auf dem Rasen, aber auch die Zuschauer auf den Tribünen des Wankdorf-Stadions. „Wir hatten Trenchcoats an, haben den Mantelkragen hochgeschlagen und uns Taschentücher in den Nacken gesteckt, damit uns das Wasser nicht den Rücken herunterlief“, erinnert sich Rees. Völlig durchnässt, aber glücklich über den Sieg von Fritz Walter und Co. machten sich die Brüder kurz nach Abpfiff und Pokalübergabe auch schon wieder auf den Weg nach Hause.
Karte geht ans Fußballmuseum
Rees ist heute 88 Jahre alt und lebt in Gütersloh. Über all die Jahre hat er die Auftritte der deutschen Nationalmannschaft im Fernsehen weiter verfolgt. Mit mal mehr, mal weniger Enthusiasmus, berichtet sein Sohn Stefan. Auch die EM in diesem Sommer will sich Willi Rees ansehen. „Die letzten Spiele der deutschen Nationalmannschaft haben sicherlich Hoffnung auf eine schöne Heim-EM gemacht. Das werde ich mir aber nur im Fernsehen anschauen“, sagt er.
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Die Karte vom Wunder von Bern soll im Juli an das Fußballmuseum in Dortmund übergeben werden. Wehmut überkommt Rees dabei nicht. Schließlich ist sie in einer Vitrine des Museums besser aufgehoben als in der heimischen Nachttischschublade, findet er.
Jürgen Bröker