Hexenverfolgung: Pfarrer Hartmut Hegeler kämpft für die Rehabilitation der Opfer
Unna (wh). Seine Mission ist die Gerechtigkeit. 400 Jahre nachdem – auch in Westfalen – Tausende Frauen als Hexen gefoltert und getötet wurden, kämpft Hartmut Hegeler für ihre Ehre, indem er Städte und Gemeinden dazu bewegt, die Hingerichteten zu rehabilitieren. Mittlerweile kann der pensionierte Pfarrer aus Unna erste Erfolge aufweisen. Nachdem das westfälische Rüthen im Kreis Soest im März vergangenen Jahres die Opfer der Hexenverfolgung offiziell für unschuldig erklärte, ziehen immer mehr Städte nach.
"Eigentlich sollte es doch eine Selbstverständlichkeit sein, Menschen die als Hexen verfolgt wurden, zu rehabilitieren", sagt Hegeler über sein Engagement. "Leider ist es aber ganz und gar nicht so. Bei vielen Städten stoße ich auf Unverständnis – ganz nach dem Motto: Glauben Sie, wir haben nichts Besseres zu tun?"
In mehr als 200 westfälischen Orten hat es im 17. Jahrhundert Hexenverfolgungen gegeben. Etwa 2000 Kindern, Männern und vor allem Frauen wurde in dieser Zeit der Prozess gemacht. Zwar gedenken heute viele Städte wie etwa Menden, Lemgo oder Recklinghausen mit Tafeln und Ausstellungen der Opfer, eine Rehabilitation blieb aber aus. Hegeler selbst wird in seiner Zeit als Religionslehrer im Jahr 2001 auf das Thema aufmerksam: "Meine Schüler wollten sich mit den Hexenprozessen beschäftigen. Dabei kam im Unterricht irgendwann die Frage auf, wann die Urteile eigentlich aufgehoben wurden und wir mussten feststellen: Das ist nie geschehen. Bis heute gelten die Opfer als schuldig im Sinne der Anklage." Mit dieser Erkenntnis beginnt Hegelers Mission. "Als ich verstand, was da passiert ist, fühlte ich mich als Christ verpflichtet, etwas zu tun", sagt der 66-Jährige.
Seine Recherchen führen den Pfarrer und Religionslehrer nicht nur zu immer neuen Gräueltaten, sondern lassen ihn auch auf Anton Praetorius stoßen. Der protestantische Prediger aus Lippstadt gehörte im 17. Jahrhundert zu den wenigen Geistlichen, die den Hexenprozessen entgegentraten. "Sein Mut hat mich fasziniert. Gleichzeitig konnte ich es kaum fassen, dass ein so couragierter Mensch in völlige Vergessenheit geraten ist", so Hegeler, der sich sofort daran machte, die Biografie von Praetorius zu schreiben. Es folgen ein Roman, ein Hörbuch und ein Medienpaket für Schüler.
Während seiner Recherchearbeiten gründet Hegeler den Arbeitskreis "Hexenverfolgung in Westfalen", der später – als das Engagement über die Grenzen der Region hinausgeht – in den Arbeitskreis "Hexenprozesse" umbenannt wird. Gleichzeitig kontaktiert er die ersten Städte und die Medien, informiert sie in Briefen über die unschuldig verurteilten Menschen und regt dazu an, sie zu rehabilitieren. "Das Echo fiel ganz unterschiedlich aus", so Hegeler. "Viele wollten sich wohl das eigene Nest nicht beschmutzen und reagierten abweisend." Es gab aber auch positive Reaktionen.
Im März 2011 schließlich ist es die Stadt Rüthen, die die Opfer der Hexenverfolgung für unschuldig erklärt. Bis heute sind dem Beispiel fünf westfälische Orte gefolgt: Hilchenbach, Hallenberg, Sundern, Menden und Werl haben in den vergangenen Monaten die Verurteilten rehabilitiert. In Freudenberg, Rheda-Wiedenbrück, Recklinghausen, Münster und Büren sind entsprechende Anträge gestellt.
Für Hegeler ist das weniger ein persönlicher Erfolg als eine zeitgemäße Art der Aufklärung. Denn Hexenverfolgung ist aus seiner Sicht auch heute noch ein aktuelles Thema: "Die Mechanismen gibt es noch immer in unserem Alltag: Es werden Gerüchte verbreitet und Menschen werden denunziert. Heute nennt man das wohl Mobbing. Deshalb ist es nicht nur wichtig, sondern unsere Pflicht, an die Hexenprozesse zu erinnern und uns für die Ehre der Opfer stark zu machen."
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