Digitalisierung von Archivgut in der Praxis. Foto: LWL-Archivamt
16.03.2022

Hilfe für Archive

Notfallhilfe für Archive und Digitalisierung standen beim Westfälischen Archivtag in dieser Woche im Fokus. Doch auch der Krieg in der Ukraine war ein Thema.

Als die Tagesordnung für den Westfälischen Archivtag 2022 erstellt wurde, dachte niemand daran, dass Archive in Europa je wieder durch Krieg bedroht sein könnten. Die Überlegungen, die Notfallhilfe als ein Thema zu setzen,  entstammten vielmehr den Ereignissen des vergangenen Jahres, als zahlreiche Archive im südlichen Westfalen, im Ahrtal und im Rheinland vom Hochwasser betroffen waren. „Das Thema Notfallhilfe rückt nach Großschadensereignissen verstärkt in das Bewusstsein. So auch in diesem Sommer, als nach der Flutkatastrophe in den Archiven das Wasser stand“, sagt Dr. Marcus Stumpf, Leiter des LWL-Archivamtes, das die zweitägige Tagung (15. und 16.03.) organisiert.

Durch die Flut wurde Archivmaterial beschädigt und teilweise vernichtet. Man müsse sich in Zukunft in Anbetracht des Klimawandels auf mehr Starkregenereignisse einstellen und daher sei die Notfallhilfe und -vorsorge ein sehr wichtiges Thema, sagt LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. Der LWL war damals mit seinen Experten vom Archivamt vor Ort in den betroffenen Gebieten, um den Kollegen bei der Bergung des beschädigten Materials zu helfen und für eine Gefriertrocknung vorzubereiten.

„Vieles für immer verloren“

Diese Erfahrungen sollen dazu beitragen, weitere Initiativen zum Erhalt des schriftlichen Kulturguts in Westfalen-Lippe zu entwickeln. Dabei spielt der Aufbau eines „möglichst flächendeckendem Unterstützungssystem“ eine große Rolle. „Es gibt sogenannte Notfallverbünde bereits in Detmold, Münster und anderen Kommunen. Das soll ein wenig so funktionieren wie bei den Feuerwehren – man hilft sich gegenseitig, wenn ein Archiv von einem Schaden betroffen ist“, sagt Stumpf.

Nun sieht man in der Ukraine ein ganz anderes Maß der Zerstörung. „An erster Stelle geht es um den Schutz der Menschen, sie müssen mit Medikamenten und Nahrungsmitteln versorgt werden“, stellt Rüschoff-Parzinger klar. Doch man beobachte in Kriegszeiten auch ein bewusstes Zerstören von kulturellen Einrichtungen und damit der Identität. Häufig gebe es keine Möglichkeit, Archivgut oder auch Kunstwerke und Denkmäler zu retten. „Ich fürchte sehr, dass vieles für immer verloren ist“, so die LWL-Kulturdezernentin weiter. Nach dem Ende des Krieges möchten die Fachleute des LWL die Kollegen in der Ukraine unterstützen. Wie die Hilfe aussehen kann, ist allerdings noch nicht ganz klar. „Wir würden aber auch im Ausland Einsätze fahren“, so LWL-Archivamtsleiter Stumpf.

Neue Strategien zur Digitalisierung

Der zweite Teil des Westfälischen Archivtag beschäftigt sich mit dem Thema Digitalisierung. Dabei geht es unter anderem darum, effiziente Strategien für die digitale Aufbereitung historischer Dokumente zu entwickeln. Schließlich könne man nicht alles digitalisieren. Das wäre zu aufwändig und teuer, erklärt Stumpf. Und Rüschoff-Parzinger ergänzte: Digitalisierung sei wichtig, auch um bei Verlust Zugriff auf die Informationen zu haben. Doch dürfe man die Originale nicht aus den Augen verlieren. „Gerade in Zeiten von Fake News bleiben die Originale als Quellen unverzichtbar.“

Schon im zweiten Jahr in Folge muss der Westfälische Archivtag coronabedingt in digitaler Form stattfinden. Doch dieses Format ist erfolgreich. Mehr als 400 Teilnehmer haben sich zu den Foren und Diskussionsrunden angemeldet. Trotzdem wollen die Organisatoren im kommenden Jahr wieder zur Präsenzveranstaltung wechseln. „Wir wollen gerne wieder einen persönlichen Austausch unter den Kolleg*innen ermöglichen. Es wird aber sicher weiterhin auch Online-Bestandteile geben“, sagt Stumpf.

Jürgen Bröker/wsp

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