Sylvia Löhrmann stellte die Antisemitismus-Studie an der Universität Siegen vor. Foto: Universität Siegen
13.11.2024

„Hinschauen und Gegenhalten“

Sylvia Löhrmann hat sich als neue Antisemitismus-Beauftragte in NRW mit einem Vortrag an der Universität Siegen vorgestellt.

Die Grünen-Politikerin hat Ende Oktober das Amt der Beauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen für die Bekämpfung des Antisemitismus, für jüdisches Leben und Erinnerungskultur von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger übernommen. Ein langer Titel, merkte Löhrmann in Siegen an. Der sei ihr aber wichtig, denn es gehe darum, Zusammenhänge und Strukturen deutlich zu machen: „Antisemitismus hat nicht 1933 angefangen und nicht 1945 aufgehört.“ Die ehemalige NRW-Schulministerin stellte im Rahmen des Besuchs im Aktiven Museum Südwestfalen eine Studie zur Verbreitung antisemitischer Einstellungen in NRW vor. Standort der Einrichtung ist der Ort einer ehemaligen Synagoge in Siegen, die 1938 am Tag nach der Reichspogromnacht von Nazis in Brand gesteckt wurde.

Prorektorin Dr. Barbara Müller-Naendrup und Rektorin Prof. Dr. Stefanie Reese von der Universität Siegen, Antisemitismusbeauftragte Sylvia Löhrmann, Prorektorin Prof. Dr. Petra Vogel und Katja Knoche vom Haus der Wissenschaft. Foto: Universität Siegen

Prorektorin Dr. Barbara Müller-Naendrup und Rektorin Prof. Dr. Stefanie Reese von der Universität Siegen, Antisemitismusbeauftragte Sylvia Löhrmann, Prorektorin Prof. Dr. Petra Vogel und Katja Knoche vom Haus der Wissenschaft (von links(. Foto: Universität Siegen

Antisemitismus ist ein altes Problem und eine neue Herausforderung“, sagte Löhrmann mit Blick auf die Studie. Laut der Untersuchung haben bis zu 24 Prozent der Befragten in unterschiedlicher Form antisemitische Einstellungen. Rund ein Viertel der Befragten schließt sich der Verschwörungstheorie vom angeblich übermäßigen Einfluss „der Juden“ an. Rund die Hälfte stimmt tendenziell zu, dass es in einer Demokratie möglich sein sollte, „den Holocaust kritisch zu hinterfragen“. Bei der Studie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Universität Passau wurden 1300 per Quotenverfahren ausgewählte Personen ab 16 Jahren befragt. Was dabei deutlich wurde: Ein Migrationshintergrund hat keine signifikante Auswirkung bei Antisemitismus. „Festgestellt wurde aber, dass die Religiosität Einfluss auf judenfeindliche Haltungen hat – das jedoch konfessionsübergreifend“, so Löhrmann. Auch der auf Israel bezogene Antisemitismus ist ausgeprägt in NRW. So setzen 38 Prozent der Befragten die israelische Politik tendenziell mit der nationalsozialistischen gleich. „Man kann die Politik der israelischen Regierung kritisieren – das tut übrigens die israelische Bevölkerung regelmäßig mit großen Protestaktionen. Aber man kann nicht Jüdinnen und Juden in aller Welt für diese Politik verantwortlich machen und anfeinden“, machte die Grünen-Politikerin deutlich.

Im Anschluss an den Vortrag ging es in einer Diskussion unter anderem um die Frage nach dem Umgang mit Antisemitismus in Schulen, Sozialarbeit und im privaten Umfeld? „Hinschauen und Gegenhalten“, sagte Löhrmann. „Wir brauchen einen langen Atem und werden den Kampf gegen Antisemitismus nur mit einer aktiven Zivilgesellschaft gewinnen.“

wsp

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