LWL-Direktor Dr. Georg Lunemann vor der Landschaftsversammlung in Münster. Foto: LWL/Urban
27.04.2023

„Historisch hohe Steigerung“

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe ist einer der größten kommunalen Arbeitgeber NRWs. Wie wirkt sich dort der Tarifabschluss aus? LWL-Direktor Dr. Georg Lunemann nimmt Stellung.

Herr Dr. Lunemann, wie hoch sind die Mehrkosten für den Landschaftsverband durch den jetzt erzielten Tarifabschluss?
Dr. Georg Lunemann: Der LWL ist einer der größten kommunalen Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen. Seine fast 20.000 Beschäftigten sind nicht nur in den klassischen Verwaltungsbereichen beschäftigt, sondern erstrecken sich auch über die Leistungsbereiche Kultur, Psychiatrie, Maßregelvollzug, Schule und Jugendhilfe. Die Tarifeinigung bedeutet in der Spitze eine historisch hohe Steigerung von bis zu 17 Prozent, die durchschnittliche Wirkung beläuft sich auf über elf Prozent. Für den LWL bedeutet dies als Arbeitgeber über all seine Leistungsbereiche unter Vorbehalt der noch folgenden finalen Einigung und der anstehenden Redaktionsgespräche der Tarifparteien einen finanziellen Mehraufwand von rund 33 Milionen Euro in 2023 und rund 89 Millionen EUR in 2024. Damit ist dieser Tarifabschluss sicherlich sehr teuer, stärkt aber gleichzeitig auch die Attraktivität des öffentlichen Dienstes am Arbeitsmarkt und unsere Position bei der Fachkräftegewinnung sowie -bindung.


Die Tarifeinigung sieht die Auszahlung eines steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichsgeldes in Höhe von insgesamt 3000 Euro vor. Einmalig erhalten die Beschäftigten im Juni 2023 1240 Euro, anschließend monatlich 220 Euro im Zeitraum Juli 2023 bis Februar 2024. Ab 1. März 2024 werden die Tabellenentgelte aller Beschäftigten um 200 Euro erhöht (sogenannter Sockelbetrag). Diese um 200 Euro erhöhten Entgelte werden zusätzlich um 5,5 Prozent erhöht. Soweit dabei keine Erhöhung um 340 Euro erreicht wird, soll der betreffende Erhöhungsbetrag auf diese Summe festgesetzt werden. Der Tarifabschluss tritt rückwirkend zum 1. Januar 2023 in Kraft und hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2024.


Steigert der Tarifabschluss nur die Personalausgaben?
Die Tarifabschlüsse wirken sich nicht nur auf die Personalkosten des LWL aus, sondern beeinflussen auch maßgeblich den Großteil der Leistungen, die der LWL zu finanzieren hat. So erbringen rund 50.000 Menschen in Westfalen-Lippe Leistungen der sogenannte Eingliederungshilfe und weiterer sozialer Leistungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderung und werden durch den LWL mittelbar finanziert. Die gesamten Sozialaufwendungen machen beim LWL allein im Jahr 2023 über 3,5 Milliarden Euro aus. Diese sind ebenfalls maßgeblich durch die tarifliche Entwicklung bestimmt. Dadurch beträgt die Mehrbelastung im umlagefinanzierten Kernhaushalt durch den Tarifabschluss in 2023 rund 110 Millionen Euro. Diese Beträge entsprechen auch in etwa Haushalts- und Finanzplanung des LWL und seiner Einrichtungen. Für 2024 erwartet der LWL im Kernhaushalt eine Mehrbelastung von rund 240 Millionen Euro.

Woher kommt das Geld?
Die Finanzierung dieser Kostensteigerungen erfolgt auf verschiedenen Wegen. Während die Verwaltungsleistungen und die Gewährung der sozialen Transferleistungen aus dem LWL-Kernhaushalt größtenteils über die Landschaftsumlage und somit durch die Kreise und kreisfreien Städte (kommunal) zu finanzieren ist, werden die Leistungen im PsychiatrieVerbund vor allem von den Krankenkassen, der Maßregelvollzug vom Land und die Jugendhilfen von den örtlichen, kommunalen Jugendämtern finanziert.

Wie werden die Mehrkosten im LWL gedeckt? Müssen an irgendeiner Stelle Abstriche in Kauf genommen werden?
In der Haushaltsplanung 2023 des über die Landschaftsumlage finanzierten Kernhaushaltes ist bereits ein Großteil der jetzt absehbaren Mehrkosten berücksichtigt worden. Durch einen strengen Maßstab im Rahmen der Bewirtschaftung und die Nutzung der eigenen Rücklagen werden über die Planung hinausgehende Mehrkosten aufgefangen. Im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung für das Jahr 2024 war die Planung des LWL konservativer. Hier kommt es durch den Tarifabschluss zu einer deutlichen Mehrbelastung von rund 60 Millionen Euro. Da sich gleichzeitig die Steuereinnahmen des Landes trotz hoher Inflation nur auf niedrigem Niveau entwickeln, muss ein großer Teil über die Landschaftsumlage an die Kreise und kreisfreien Städte weitergereicht werden.
Parallel hierzu wird der LWL für die anstehende Haushaltsplanung ein weiteres Sparprogramm auflegen. Zwar ist ein Großteil der Leistungen des LWL pflichtig, sodass hier für den LWL kein Wahlrecht zu Ausübung dieser Aufgaben besteht. Dennoch ist es dem LWL wichtig, seinen Aufgaben wirtschaftlich und sparsam nachzugehen. Es besteht bereits eine lange Tradition an Konsolidierungsprogrammen unter Berücksichtigung von strikter Aufgaben- und Organisationskritik. Allein mit dem letzten Konsolidierungsprogramm hat der LWL einen Sparbeitrag von fast 150 Millionen geleistet. Den Sparbemühungen sind aber insbesondere dort Grenzen gesetzt, wo die Kostentreiber nicht unmittelbar beeinflussbar sind, wie zum Beispiel demografische Strukturen, gesetzliche Entwicklungen oder eben auch Tarifabschlüsse. Aktuell werden dafür sämtliche Aufgaben kritisch beleuchtet und dem Westfalenparlament mit dem Haushaltsplanentwurf 2024 zur Entscheidung vorgelegt.

jüb/wsp

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