Professor Christof Wetter mit seinem Kollegen Dr. Elmar Brügging. Foto: Jürgen Bröker
30.01.2020

Hype um Wasserstoff

Aktuell ist um das Thema Wasserstoff (H2) ein regelrechter Hype entbrannt. Mit Professor Christof Wetter von der FH Münster haben wir über die Einsatzmöglichkeiten und Vorteile von H2 gesprochen.

Warum kommt der Hype nach Wasserstoff jetzt?
Das ist ja nicht der erste Hype um dieses Thema. Ich beobachte das Feld schon seit mehreren Jahrzehnten. Zum Beispiel hatten wir schon Ende der 1990er Jahre die Ankündigung der Daimler Benz AG, dass in wenigen Jahren alle Berliner Busse mit Wasserstoff fahren werden. Wie wir heute wissen, ist es dazu nicht gekommen. Vielleicht war das aber auch ganz gut so.

Wie meinen Sie das?
Inzwischen sind die Systeme technisch erheblich weiterentwickelt worden und haben heute Praxisreife. Und das ist neu. Wir haben jetzt tatsächlich serienmäßig angebotene Fahrzeuge, die man von der Stange kaufen kann. Das hat es bisher nicht gegeben. Die Technik ist jetzt so weit, die Sicherheit ist gegeben, die Normen sind da, auch die gesetzlichen Regelungen sind da. Wasserstoff ist jetzt als Kraftstoff verfügbar. Das ist erstmalig so. Deshalb ist es auch keine Überraschung, dass das Wasserstoffthema so massiv kommt.

Gibt es weitere Gründe?
Ein ganz wichtiger zweiter Punkt ist, dass wir in Deutschland im vergangenen Jahr mehr als 40 Prozent erneuerbaren Strom im Netz hatten. In einigen Regionen sogar noch deutlich mehr. Zum Beispiel im Kreis Steinfurt. Dort liegen wir bei 65 Prozent. Für die Gemeinde Sarbeck sind es sogar 410 Prozent.

Anfang 2020 gab es erst etwa 80 Wasserstofftankstellen in Deutschland. Foto: H2 MOBILITY

H2 MOBILITY

Was hat der Strom mit dem Thema Wasserstoff zu tun?
Strom muss zu der Zeit, da er produziert wird, auch verbraucht werden, sonst bleibt das elektrische Netz nicht stabil. Wir werden aber zu bestimmten Zeiten erhebliche Überschüsse an Strom haben. Dann stellt sich die Frage, was machen wir damit? Dann muss die ganze Kette greifen: Energie einsparen, energieeffizient arbeiten, ausgleichen, teilspeichern. Wenn das alles erledigt ist – da sind wir in der Gesellschaft gerade dabei – dann werden wir trotzdem zu bestimmten Zeiten noch Überschüsse haben. So war das zum Beispiel 2016. Da wurden bei den Windkraftanlagen in Niedersachsen 13 Prozent der Windkraftleistung abgeregelt. Das heißt die sind gar nicht produziert worden, wohl aber vergütet worden. Das ist volkswirtschaftlich wenig schlau.

Und da kann Wasserstoff als Energiespeicher helfen?
Genau. Und auch deshalb ist Wasserstoff gerade ein so wichtiges Thema. In den vergangenen Jahren haben wir erhebliche Fortschritte bei der Elektrolyse – bei der Überführung von Wasser und Sauerstoff in Wasserstoff mit Hilfe von Strom –- erreicht. Der Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Strom zu Wasserstoff liegt inzwischen etwa bei 65 Prozent. Wenn man die Wärme, die bei dieser Umwandlung entsteht, auch noch nutzt, dann kommt man sogar auf einen Wirkungsgrad bis vielleicht 80 Prozent.

Können nicht auch große Batterien Strom speichern?
Ja, können sie. Aber es ist nicht zu erwarten, dass große Batterien als Speicher in Deutschland eingesetzt werden. Ganz einfach, weil solche Batterien vergleichsweise teuer sind und die Strompreisschwankungen vergleichsweise gering, deshalb rechnet sich das wirtschaftlich nicht. Vorteil Wasserstoff.

Wasserstoff könnte auch dazu beitragen, dass regenerative Energieanlagen auch dann rentabel bleiben, wenn sie aus der Förderung durch das Erneuerbare Energien Gesetz herausfallen. Wie das?
Dazu können wir auf den Kreis Steinfurt blicken. Dort wird etwa die Hälfte der Windkraftanlagen bis 2025 aus dem EEG fallen. Was passiert damit? Wir nutzen den Strom, betreiben damit Elektrolyseure, gehen mit dem grünen Wasserstoff in die Leitungen. Dann hätten wir grünen Wasserstoff für große industrielle Anwendungen, das wäre ein extremer Schritt in eine erneuerbare Zukunft. Und die Windenergieanlagen würden auch ohne Förderung rentabel laufen.

Warum ist Wasserstoff für so viele Anwendungen und Industrien interessant?
Wasserstoff ist sehr reaktionsfreudig. H2 ist ja das leichteste Element, das wir haben. Es ist in allem zu finden, was man aus Erdgas oder Erdöl machen kann. Zukünftig lassen sich diese fossilen Stoffe durch grünen Wasserstoff ersetzen. Das gilt für jegliche Art von Kraftstoff oder für Artikel aus der Chemischen Industrie. Übrigens verwendet die Industrie heute schon sehr viel Wasserstoff. Der ist allerdings meist noch aus Erdöl oder Erdgas hergestellt. Wir sprechen von grauem Wasserstoff. Aber zukünftig wird man den grauen durch grünen Wasserstoff ersetzen, damit könnte eine Menge CO2 eingespart werden.

Im Bereich der Mobilität scheiden sich die Geister. Was wird sich durchsetzen das Batteriefahrzeug oder das Brennstoffzellenfahrzeug mit Wasserstofftank?
Zunächst einmal muss man festhalten, dass es sich bei beiden Wegen um Elektromobilität handelt. Auch beim Brennstoffzellenfahrzeug wird ja kein Wasserstoff verbrannt. Sondern mit Hilfe von Brennstoffzellen wird Wasserstoff mit Luftsauerstoff umgewandelt in Energie und Wasser. Und diese Energie wird dann als Strom einem Elektromotor zugeführt. Das Wasserstofffahrzeug hat aber den Vorteil, dass weniger Energie in Batterien gespeichert werden muss.

Für wen sind Brennstoffzellenfahrzeuge interessant?
Im Moment muss man sicher festhalten, dass Wasserstofffahrzeuge eher zögerlich gekauft werden. Das liegt aber auch an der Infrastruktur. Das Netz der Wasserstofftankstellen ist mit rund 80 Stück deutschlandweit noch recht übersichtlich. Hinzu kommt, dass Sie als Fahrer eines Wasserstoff-Pkw keinen finanziellen Vorteil haben. In der Anschaffung sind die Fahrzeuge teuer. Und der Kraftstoff ist so gerechnet, dass sich die Kosten mit denen für einen Benziner oder Diesel vergleichen lassen. Daher glaube ich, dass es eine gute Idee ist, zunächst Busse oder auch Lkw entsprechend auszustatten. Auf Dauer ist wahrscheinlich eine Kombination aus batterieelektrischem Antrieb und H2 sinnvoll.

Es klingt alles so einfach und so sinnvoll. Warum hat man sich nicht eher für das Thema Wasserstoff interessiert. Die Technologien sind doch auch nicht erst seit gestern bekannt?
Ich glaube, das hängt mit den niedrigen Preisen für Benzin, Öl und Gas zusammen. Die Menschheit hat sich erst einmal dafür entschieden, diese Ressourcen auszubeuten. Und jetzt sind wir im Jahr 2020 angekommen und stellen fest, wir haben es wohl übertrieben. Deshalb die Hinwendung zum Wasserstoff.

Interview: Jürgen Bröker

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