Ein Fenster aus der alten Synagoge in Gelsenkirchen. Foto: Bröker, wsp
12.10.2023

„Ich bin jetzt vorsichtiger“

Im Interview erklärt die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, Slava Pasku, warum sich ihr Sicherheitsgefühl nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel verändert hat, und welche Auswirkungen der Konflikt auf Juden in Deutschland hat.

Wie geht es den Mitgliedern Ihrer Gemeinde aktuell?
Die Reaktionen in unserer Gemeinde sind alle gleich. Wir fühlen uns besorgt und betroffen angesichts der Bilder aus Israel, die Konflikte und Gewalt zeigen. Wir verfolgen die Entwicklungen in Israel mit Sorge und Anteilnahme. Es ist wichtig zu betonen, dass die Meinungen und Gefühle innerhalb unserer Gemeinde alle ähnlich sind, und wir stehen in dieser herausfordernden Zeit zusammen, um uns gegenseitig zu unterstützen und zu verstehen.

Welche Auswirkungen hat der terroristische Angriff in Israel auf das Leben der jüdischen Menschen in Ihrer Gemeinde in Gelsenkirchen?
Der terroristische Angriff in Israel löst weltweit Sorgen bezüglich der Sicherheit jüdischer Gemeinden aus. In unserer Gemeinde in Gelsenkirchen sind wir uns dieser globalen Situation bewusst und arbeiten eng mit den örtlichen Behörden zusammen, um die Sicherheit unserer Mitglieder zu gewährleisten. Wir haben unsere Wachsamkeit verstärkt und zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass unsere Gemeindemitglieder sich geschützt fühlen. Unsere höchste Priorität besteht darin, das Leben und das Wohlbefinden unserer Mitglieder zu sichern.

Hat sich ihr Sicherheitsgefühl verändert?
Ja, mein persönliches Sicherheitsgefühl hat sich verändert. Ich bin jetzt vorsichtiger, wenn ich die Gemeinde verlasse. Ich achte darauf, ob mir jemand möglicherweise folgt, und habe häufiger Gespräche mit unserem Sicherheitspersonal, um zu erfahren, ob ihnen irgendetwas Auffälliges aufgefallen ist oder ob sie in den Überwachungskameras ungewöhnliche Vorkommnisse bemerkt haben.

Vor der Synagoge und dem Zentrum der Jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen gab es 2021 eine Demonstration, bei der antisemitische Parolen gerufen wurden. Foto: Bröker, wsp

Vor der Synagoge und dem Zentrum der Jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen gab es 2021 eine Demonstration, bei der antisemitische Parolen gerufen wurden. Foto: Bröker, wsp

In Deutschland gibt es große Solidarität mit dem Staat Israel – aber auch pro-palästinensische Kundgebungen, was sagen Sie zu den Kundgebungen?
Wir sind sehr dankbar für die breite Solidarität, die Deutschland gegenüber dem Staat Israel und der jüdischen Gemeinschaft zeigt. Diese Unterstützung hilft uns, mit den aktuellen Herausforderungen umzugehen. In Bezug auf die pro-palästinensischen Kundgebungen empfinde ich gemischte Gefühle. Während es wichtig ist, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu respektieren, bin ich besorgt über Vorfälle, die auf solchen Veranstaltungen vorkommen. Die Beleidigungen gegenüber Juden und die Verwendung solcher Veranstaltungen, um Hass zu schüren, sind sehr bedauerlich. Gerade zu Zeiten, in denen unschuldige Zivilisten, einschließlich Kinder und Jugendliche, tragischerweise ums Leben kommen, fällt es schwer nachzuvollziehen, warum einige diese Gelegenheit nutzen, um für Palästina zu mobilisieren. Wir setzen uns für den Frieden und die Sicherheit aller Menschen in der Region ein und hoffen auf eine Lösung, die das Leiden auf allen Seiten beendet.

Haben Sie Sorge, dass sich ein Vorfall wie im Mai 2021 wiederholen könnte, als fast 200 Menschen vor die Synagoge und das Gemeindezentrum marschierten und die Gemeinde massiv bedroht wurde?
Wir haben immer die Sorge, dass sich ähnliche Vorfälle wie der im Mai 2021 wiederholen könnten, besonders in der gegenwärtigen Zeit. Der Vorfall vor zwei Jahren hat uns zutiefst erschüttert und seine Auswirkungen sind noch immer spürbar. Wir hoffen sehr, dass solche Ereignisse in Zukunft vermieden werden können und dass die Polizei die notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Sicherheit unserer Gemeinde vor solchen Märschen und Bedrohungen zu gewährleisten. Unsere oberste Priorität ist es, ein sicheres Umfeld für unsere Gemeindemitglieder zu schaffen.

Interview: Jürgen Bröker, wsp

Serie: Jüdisches Leben

1700 jüdisches Leben in Deutschland. Der WESTFALENSPIEGEL feiert mit. Also: L’Chaim – auf das Leben!

Lesen Sie auch im Bereich "Politik / Wirtschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin