Eva Irrgang, Landrätin des Kreises Soest. Foto: Kreis Soest
29.05.2020

„Ich bin keine Quotenfreundin“

Eva Irrgang ist Landrätin im Kreis Soest. Sie ist die einzige Frau in diesem Amt in Nordrhein-Westfalen. Im Interview mit westfalenspiegel.de spricht sie über ihre Erfahrungen.

Frau Irrgang, Sie sind die einzige Landrätin in NRW.
Und jetzt möchten Sie sicher wissen, was da schief gelaufen ist (lacht). 

Und was?
Ich sage dann immer: Fragen Sie doch mal die anderen. Die Frage danach, warum ich die einzige Landrätin in NRW bin, höre ich öfters. Ich bin seit 13 Jahren in diesem Amt und mehr als die Hälfte der Zeit davon als einzige Frau in NRW.

Woran liegt das?
Zunächst einmal sind drei Dinge wichtig: Man muss so ein Amt wollen. Dann sollte man unbedingt Spaß an der Sache haben. Und man sollte die Verpflichtungen, die das Amt mit sich bringt, zeitlich auch leisten können. Denn als Landrätin habe ich nicht selten eine 70-Stunden-Woche. Das muss man mit dem Partner, der Familie oder auch mit der möglichen Pflege eines Angehörigen vereinbaren können. In meinem Fall war es so, dass mein Sohn schon im jungen Erwachsenenalter war, als ich mich um das Amt beworben habe. Da ging das gut, aber mit kleinen Kindern wird das schwerlich funktionieren. Das ist für einen Mann nicht anders – auch er ist in einem solchen Amt selten bei seiner Familie und hat nur wenige Wochenenden frei. 

Vermissen Sie weibliche Unterstützung an Ihrer Seite?
In meinem direkten Umfeld im Kreishaus und im Kreistag in Soest sind wir ganz gut aufgestellt. Aber ich bin nicht nur die einzige Landrätin in NRW, darüber hinaus sind auch die 14 Bürgermeister in den Kommunen in meinem Kreis allesamt Männer. Ich bin ganz ehrlich: Es wäre schon schön, wenn die eine oder andere Frau dabei wäre. 

Was halten Sie von Quotenregelungen?
Ich bin keine Quotenfreundin. Wenn Frauen sich nicht um eine Position bewerben wollen, nützt auch die Quote nichts. Ich glaube, Frau muss sich auch trauen. Ich werbe immer wieder dafür, Ämter zu übernehmen, und zwar nicht nur bei Frauen. Wir stellen ganz allgemein fest, dass die Bewerber für politische Spitzenämter weniger werden. Viele Menschen fragen sich, warum sie sich das antun sollen, ständig in der Kritik zu stehen und unter Umständen auch verbal oder gar körperlich angegriffen zu werden. 

Trotzdem haben Sie sich für eine solche Karriere entschieden.
Weil es eine tolle Aufgabe ist, sich politisch zu engagieren, ganz gleich, ob im Haupt- oder Ehrenamt. Es lohnt sich, sich für den Kreis, für die Kommune einzusetzen, denn man kann hier wirklich etwas bewirken. 

Was kann beim Einstieg in die Kommunalpolitik helfen?
Es ist sicher hilfreich, wenn man weiß, was auf einen zukommt. Ich hatte den großen Vorteil, dass ich schon als Fraktionsvorsitzende zu wichtigen Stellen im Kreis Kontakt hatte, bevor ich zur Landrätin gewählt wurde. Schließlich bin ich jetzt insgesamt schon seit mehr als 25 Jahren in ganz unterschiedlichen Funktionen in der Kommunalpolitik aktiv. Vom Gemeinderat über die stellvertretende Bürgermeisterin bis in den Kreistag habe ich eigentlich die ganze Klaviatur der Kommunalpolitik bespielt. Das hat mir auch sehr geholfen, meine eigenen Interessen besser kennenzulernen.

Mussten Sie als Landrätin um Akzeptanz kämpfen? 
Nein. Ich war vorher schon mehr als zehn Jahre Mitglied des Kreistages. Ich kannte die Bürgermeister und auch die Menschen in der Verwaltung. Das machte es einfacher. Ganz neu und von außen in dieses Amt zu kommen – das stelle ich mir sehr viel schwieriger vor.

Weshalb wäre es aus Ihrer Sicht wichtig, dass mehr Frauen in die Kommunalpolitik gehen?
Wenn Sie sich die Abschlüsse an den Hochschulen einmal ansehen, dann zeigen häufig die Frauen bessere Leistungen. Es wäre doch schade, wenn wir dieses Potenzial nicht nutzen. Aber eigentlich sollte man diese Frage gar nicht mehr stellen müssen. Am Ende geht es doch darum: Kann es jemand? Will es jemand? Das sind die entscheidenden Fragen und dann ist es gleich, ob ein Mann oder eine Frau das Amt ausfüllt. 

Interview: Jürgen Bröker

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