Der taube Comedian Okan Seese ist am 14. März zu Gast im LWL-Museum für Archäologie und Kultur in Herne. Foto: Jean Ferry
11.03.2024

„Ich habe meine Sprache“

„Ich bin halb deutsch, halb Türke, aber ganz schwul. Und klar, ich bin taub“ – so stellt sich Okan Seese in seinem Programm „Lieber taub als gar kein Vogel“ vor. Der Comedian steht am Donnerstag, 14. März, im LWL-Museum für Archäologie und Kultur in Herne auf der Bühne. Im Interview erzählt er, wie Comedy mit Übersetzung funktioniert.

Herr Seese, Sie gelten als Deutschlands einziger tauber Komiker, der auch für Hörende spielt und sind über die taube Community hinaus bekannt. Wie sind Sie zur Comedy gekommen?
Okan Seese: Ich stand schon immer auf der Bühne. Zum Beispiel habe ich sechs Jahre lang beim Gehörlosen-Theater mitgespielt und auf Tauben-Festivals performt. Aber das war eher im Bereich Theater, als Schauspieler. Dabei habe ich immer lustige Rollen gespielt, was mir aber erst im Nachhinein bewusst geworden ist. 2018 habe ich als Dozent für DGS – die Deutsche Gebärdensprache – gearbeitet und Archie, einen Komiker, unterrichtet. Er fand mich im Unterricht sehr lustig und hat mich überredet, in Berlin einfach mal bei einem Stand-Up-Comedy-Programm aufzutreten. Er hatte zehn Witze für mich geschrieben. Ich dachte zuerst, das wird nicht klappen. Archie hat nicht locker gelassen und mich überredet, in die „Scheinbar“ zu gehen. Das ist eine offene Bühne in Berlin. Wir haben gesagt: „Wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer mehr als dreimal lachen, machen wir weiter. Wenn nicht, lassen wir es sein.“ Und dann ging alles super-schnell.  Zu meinem Solo-Programm kommen sowohl taube Menschen und Schwerhörige als auch Hörende. Es ist schön zu sehen, dass eine Comedyshow nicht vom Hörstatus abhängig ist.

Okan Seese. Foto: Jean Ferry

Okan Seese. Foto: Jean Ferry

Wie reagieren die Zuschauerinnen und Zuschauer auf Sie?
Im besten Fall lachen sie an den richtigen Stellen. Meistens funktionieren meine Auftritte sehr gut. Ich erkläre in den ersten Minuten, wer der Komiker ist und wer übersetzt, damit sich auch die Zuschauerinnen und Zuschauer orientieren können. Ich gehe da sehr offen mit um und gerade diese Lockerheit wird gut aufgenommen. Ich bin es ja gewohnt, dass es oft Missverständnisse mit Hörenden gibt. In der Zeit, in der ich als Dozent gearbeitet habe, gab es viele herrliche Missverständnisse. Da habe ich gelernt, meinen Humor einzusetzen. Klar bleibe ich etwas länger im Gedächtnis als andere Komikerinnen und Komiker. Das ist mein Vorteil.

Was möchten Sie mit Ihrer Kunst erreichen?
In erster Linie möchte ich, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer lachen. Es ist schön, dass Menschen rein durch meine Präsenz anfangen umzudenken. Das können ganz kleine Sachen sein. Nach einer Aufzeichnung für den ZDF-Comedy-Sommer sind wir mit den anderen Komikerinnen und Komikern mit einem Taxi ins Hotel gefahren. Archie hat alles für mich übersetzt und der Comedian Özcan Cosar hat das Licht im Taxi ausgemacht, weil es ihn gestört hat. Es war nachts und Archie konnte dann nichts für mich übersetzen, weil es dunkel war. Nach ca. 30 Sekunden ist es Özcan selber aufgefallen und er hat das Licht wieder angemacht. Ohne das ich nachfragen musste. Ein toller Moment! Oft schreiben oder sagen die Leute auch „taub“ zu mir und nicht mehr „taubstumm“, was mich sehr freut, denn taubstumm bin ich nicht, ich habe ja meine Sprache, die Gebärdensprache. Taube Menschen schreiben mir oft, dass ich für sie ein Vorbild bin, das freut mich. Es gibt leider immer noch viele Stigmata über taube Menschen und viel zu wenig Wissen über unsere Kultur. Ein Perspektivwechsel ist immer auch eine Chance, etwas Neues zu entdecken und kennenzulernen. In der „Mehrheitsgesellschaft“ sind wir oft die Dummen. Es ist schön, dies in meiner Show mal auf den Kopf zu stellen. 

Interview: LWL

Für Okan Seeses Auftritt im LWL-Museum für Archäologie in Herne am 14. März um 19 Uhr gibt es hier noch Tickets.

Lesen Sie auch im Bereich "Freizeit, Gesellschaft, Kultur"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin