Altenas Bürgermeister Andreas Holstein wurde 2017 mit einem Messer angegriffen und verletzt. Foto: Jürgen Bröker
28.07.2020

„Ich sehe mich ungern als Opfer“

Hass und Gewalt gegen Kommunalpolitiker werden häufiger. Altenas Bürgermeister Andreas Holstein wurde 2017 mit einem Messer attackiert. Westfalenspiegel.de hat er erzählt, wie er mit der Tat umgegangen ist. 

Die Hasswelle gegen Kommunalpolitiker hat zwei von drei Rathäusern in Deutschland erreicht, ist zum Beispiel ein zentrales Ergebnis einer Umfrage aus diesem Frühjahr, die „Kommunal, das Magazin für Bürgermeister, Kommunalpolitiker und Verwaltung“ gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführt hat. Die Umfrage zeigt, dass es in jedem fünften Rathaus bereits körperliche Angriffe auf den Bürgermeister, einen Mitarbeiter der Verwaltung oder einen Gemeinderat gegeben habe, so das Magazin.

Das NRW-Innenministerium bestätigt den Anstieg von Straftagen gegen Amts- oder Mandatsträger. So wurden für das Jahr 2019 in NRW insgesamt 52 Straftaten gegen kommunale Amts- oder Mandatsträger erfasst. In 38 Fällen habe es sich bei den Geschädigten um politische Amts- oder Mandatsträger der Kommune gehandelt, so ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. Bei den Straftaten ging es in 16 Fällen um Beleidigungsdelikte, in acht Fällen um Bedrohungsdelikte, in vier Fällen um Volksverhetzungen. Auch zwei Gewaltdelikte waren darunter, davon einmal Körperverletzung und einmal Erpressung. 2016 hatten die Behörden noch insgesamt 31 Straftaten gegen Amts- oder Mandatsträger in NRW registriert, 2018 Jahr waren es 43.

Altenas Bürgermeister Holstein wurde 2017 angegriffen

Altenas Bürgermeister Andreas Holstein wurde 2017 in seiner Heimatstadt mit einem Messer attackiert und wegen seiner Flüchtlingspolitik beschimpft. Schon zuvor hatte Holstein Drohanrufe und -Mails erhalten, weil er in Altena 100 Flüchtlinge mehr aufgenommen hatte, als der Stadt  zugeteilt worden waren. Zur Gewalt gegenüber Menschen, die in politischen Ämtern oder der Verwaltung aktiv sind, sagt Holstein:

„Umfragen haben zuletzt immer wieder stark ansteigende Zahlen bei verbaler und körperlicher Gewalt gegen Amtsinhaber gezeigt. Doch Respekt sinkt nicht nur gegenüber Bürgermeistern sondern auch gegenüber Menschen, die in der Verwaltung arbeiten. Nachdem ich selbst angegriffen wurde, war mir relativ schnell klar, dass ich weiter machen möchte. Aber natürlich habe ich das intensiv mit meiner Frau besprochen. Ich sehe mich ungern als Opfer. Das habe ich damals, einen Tag nach der Tat in einer Stellungnahme auch so gesagt. Trotzdem macht ein solcher Anschlag natürlich etwas mit einem Menschen. Nach der Tat verändert sich etwas. Mein Urvertrauen – gerade hier in einer Kleinstadt – war erschüttert. Plötzlich bewegt man sich anders, ist achtsamer. Damals gab es viel Solidarität für mich in der Stadt. Menschen haben eine Lichterkette organisiert. Ich habe bestimmt etwa 1800 aufmunternde Mails und Nachrichten erhalten. Aber auch mindestens 200 Nachrichten, die mich weiter bedroht haben. Darin stand dann: „Schade, dass wir Dich nicht erwischt haben“ oder „Beim nächsten Mal machen wir es besser!“ Warum ich trotzdem weiter gemacht habe und mich jetzt in Dortmund erneut für eine Wahl aufstellen lasse? Mut und Haltung sind für mich wichtige Eckpfeiler. Und es wäre weder mutig gewesen noch hätte es mit Haltung zu tun, wenn ich damals die Brocken hingeworfen hätte.“

jüb/wsp

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