Als Kunstprojekt war Beethoven anlässlich seines 250. Geburtstags schon in Bonn zu sehen. Nun untersuchen Forscher seinen Einfluss auf die Popkultur. Foto: pixabay
18.05.2020

Idol der Popkultur

Zum 250. Geburtstag: Wissenschaftler untersuchen Beethovens Einfluss auf die Rockmusik und andere populäre Künste. 

„Rote Rosen werden blühen“ sang Caterina Valente 1959 gemeinsam mit ihrem Bruder Silvio Francesco. Ein schwungvoller Cha-Cha-Cha-Rhythmus und ein Text voller Hoffnung: „Ist auch mein Herz heut‘ so allein; ich weiß, das wird nicht immer sein.“ Die Melodie dazu klingt sehr vertraut – kein Wunder, die Geschwister haben sie bei Ludwig van Beethovens „Für Elise“ entliehen. Anlässlich von Beethovens 250. Geburtstag, der in diesem und nächstem Jahr gefeiert wird, rückt sein Einfluss auf die Popmusik in den Fokus von Wissenschaft und Kultur.

Und der ist breit gefächert, wie einige Beispiele zeigen: Die niederländische Rockband Shocking Blue ließ die „Für Elise“-Melodie in ihrem Lied „Broken Heart“ einfließen, der US-amerikanische Rapper Nas baute sie in sein HipHop-Song „I can“ ein, die Metal-Band Accept spielte sie 2017 beim Wacken-Festival in Schleswig-Holstein auf der E-Gitarre und brachte zehntausende Metal-Fans im Publikum dazu, sie lautstark mitzusingen.

Bisher keine substanzielle Forschung

Inspiration für viele Künstler: Ludwig van Beethoven. Foto: pixabay

Inspiration für viele Künstler: Ludwig van Beethoven. Foto: pixabay

Kein Zweifel: Ludwig van Beethoven übt auch auf viele Popmusiker eine große Faszination aus. Da sei es ganz erstaunlich, dass es zur Beethoven-Rezeption im Pop und zur Beethoven-Popularität in den populären Künsten bislang keine substanzielle Forschung gebe, sagt der Musikwissenschaftler Prof. Dr. Michael Custodis von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Schriftsteller wie E. T. A. Hoffmann, Clemens Brentano und Thomas Mann ließen sich von Beethoven inspirieren und wirkten daran mit, dass er zum Mythos wurde. Im frühen 20. Jahrhundert entstanden Stummfilme über Beethoven, Jazzkünstler zitierten seine Musik, in Walt Disneys Zeichentrickfilm „Fantasia“ 1940 fliegt eine Pegasus-Familie zu Beethovens 3. Sinfonie. Rund zehn Jahre später erscheinen die „Peanuts“-Comicstrips von Charles M. Schulz, in denen Charly Browns Kumpel Schroeder die Werke des großen Komponisten auf einem Kinderklavier spielt.

„Roll over Beethoven“

Und dann kam 1956 Chuck Berry, ein vorbestrafter Musiker aus dem US-Staat Missouri, brachte einen der Urknall-Songs des Rock’n’Roll heraus und lieferte eines der bekanntesten Zitate der Popgeschichte: „Roll over Beethoven – and tell Tchaikovsky the news!“

Beethoven steht bei Berry für die althergebrachte bürgerliche Kultur, die nun vom neuen Rhythm and Blues abgelöst, „überrollt“ wird. Das Lied war stilprägend und wurde dutzendfach gecovert, unter anderem von den Beatles. Kaum Nachahmer fand hingegen Chuck Berrys Bemühen, sich von Beethoven abzugrenzen. Denn es gebe in der Popmusik Beethoven-Zitate „wie Sand am Meer“, hat Michael Custodis festgestellt. Meistens kämen sie jedoch von Beethoven-Fans. „Aus dem riesigen Oevre von Beethoven konzentriert es sich allerdings sehr stark auf wenige Stücke, die eine überdeutliche Popularität haben: den Beginn der 5. Sinfonie und die Ode an die Freude aus der 9. Sinfonie, die wir als Europahymne kennen, von den Klavierstücken die „Mondscheinsonate“, die Pathétique, die Appassionata und vor allem ,Für Elise‘.“

Akkorde im Dur statt im Moll

Spannend findet Michael Custodis die unterschiedlichen Herangehensweisen der Popmusiker: Manche Künstler beschäftigen sich eher mit der Figur Beethoven und Themen wie „Taubheit“, „der Choleriker“ oder „das Genie“. Andere beziehen sich auf die Musik von Beethoven. „Es gibt Künstler, die Beethoven oberflächlich kennen und Beethovens Musik auf die Melodie oder – speziell im HipHop – auf den Beat reduzieren. Die Musiker aber, die Kontextwissen über Beethoven haben, inszenieren beispielsweise einen Beethoven-Sound, ohne Beethoven direkt zu zitieren, und da wird es richtig interessant.“ Michael Custodis nennt ein Beispiel: das Stück ,Exogenesis Symphony‘ der britischen Rockband Muse. Darin zitiert Sänger Matt Bellamy am Piano Beethovens Mondscheinsonate im Stil von Beethoven. Custodis: „Bellamy dreht die Akkorde aus dem Moll ins Dur. Er braucht nur die Atmosphäre des Beethoven-Sounds, ein direktes Zitat wäre ihm zu langweilig.“

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Ebenfalls ein Beethoven-Liebhaber ist Alex, der Anführer einer Jugendbande in Stanley Kubricks Romanverfilmung „A Clockwork Orange“. Es ist einer der bekanntesten Filme, in dem die Musik Beethovens eine zentrale Rolle einnimmt. Die Hauptfigur Alex berauscht sich an Beethovens 9.Sinfonie, später begeht er mit seiner Gang, den „Droogs“, brutale Gewalttaten. Der Film wurde kontrovers diskutiert und übte großen Einfluss auf die Popkultur aus, ein bekanntes Beispiel ist etwa das Lied „Hier kommt Alex“ der Band Die Toten Hosen.

Ausstellung 2021 in Gronau

Im Gronauer Rock´n´Popmuseum ist dazu im kommenden Jahr eine große Ausstellung geplant. „Ludwig lebt! Beethoven im Pop“ ist vom 21. März bis 03. Oktober 2021 im Rahmen des verlängerten Beethoven Jubiläumsjahres zu sehen. Darin wollen die Macher zeigen, warum Beethoven als Wegbereiter der heutigen Popkultur gelten kann, wie Kurator Thomas Mania erläutert: Beethoven gab „Clubkonzerte“ (die Soiréen des Adels), ging auf Tournee, betrieb Merchandising und verbreitete die Noten seiner Kompositionen, er erlangte über Bilder wie das Beethoven-Porträt von Joseph Karl Stieler große Bekanntheit und profitierte von der neu aufkommenden Musikpresse. „Er war damals schon ein Star“, sagt Thomas Mania, „und einer der ersten freischaffenden Künstler, die sich selbst vermarkten mussten.“ Mit Erfolg, und der hallt bis heute nach.

Martin Zehren

Dieser Beitrag stammt aus Heft 2/2020 des WESTFALENSPIEGEL. Zur Inhaltsübersicht gelangen Sie hier.

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