Das Felsenmeer in Homer. Foto: A. v. Braunschweig
28.05.2020

Im Reich des Zwergenkönigs

Ein entspannter Tag am Meer lässt sich tatsächlich auch im Sauerland verbringen. Mit einer Wanderung durch die bizarren Felsformationen bei Hemer.

Ein Meer, das ohne Wasser auskommt. Muscheln, die nicht im Sand vergraben sind. Ein Paradies, das Millionen Jahre überdauert hat. Ein Ausflug zum Felsenmeer in Hemer am Rand des Hönnetals verspricht ungewöhnlich zu werden.

Das Meer aus Felsen steuern besonders gerne Wanderer und Kletterer an. Wissenschaftler gehen davon aus, dass das rund 35 Hektar große Areal vor mehr als 385 Millionen Jahren entstanden ist. Damals wogte in weiten Teilen des heutigen Europas das riesige Devonmeer. Und in dem Bereich, wo heute die Städte Wuppertal, Hagen, Iserlohn und eben auch Hemer ihren Platz haben, erstreckte sich ein gewaltiges Riff aus Kalkstein. Als sich dann viele Millionen Jahre später das Wasser entschloss, den Rückzug anzutreten, ist der Meeresboden zur Erdoberfläche aufgestiegen. Und bei der Größe der Brocken, die immer noch an Ort und Stelle liegen, erübrigt sich die Frage, warum sie nicht mit dem Wasser verschwunden sind.

Wie ein verwunschener Abenteuerspielplatz

Ein Glück. Denn heute sind die steinernen Überbleibsel wie ein großer verwunschener Abenteuerspielplatz. Durch die bizarren Formationen aus Felsen, Steinen und Schluchten schlängeln sich Wanderwege. Die geschwungenen Brückenkonstruktionen machen auch zerklüftete Stellen passierbar. Die besonders schönen Brücken wurden eigens für die Landesgartenschau errichtet, die im Sommer 2010 mehr als eine Million Besucher nach Hemer lockte.

Wer Lust auf einen Tag am Meer verspürt, kann heute jederzeit vorbeikommen. Es gibt weder Schranken noch Kassenhäuschen – aber trotzdem müssen einige wichtige Regeln unbedingt befolgt werden. Die wesentliche lautet: Nicht vom Weg abkommen. So lange sich Spaziergänger auf den befestigten Strecken aufhalten, können sie sich von dem Einfallsreichtum der Natur faszinieren lassen. Doch Zäune überklettern und auf nicht ausgeschilderten Routen seinen Abenteuerdrang auszuleben, ist eine denkbar schlechte Idee. Viele Schluchten und Spalten im Boden sind so zugewuchert, dass unvorsichtige Besucher nur allzu leicht abstürzen könnten. Sie wären auch leider nicht die ersten, denen es so geht. Deshalb stehen im Felsenmeer nicht nur viele informative Schautafeln, sondern auch fast an jeder Ecke Warnschilder.

Auf ins Paradies

Das Areal ist in drei Teile untergliedert – das große Felsenmeer, das kleine Felsenmeer und das Paradies. Überall lassen sich in den Kalkbrocken versteinerte Meeresbewohner entdecken. Korallen, Muscheln und Tintenfische wurden hier für die Ewigkeit konserviert.

Das Felsenmeer lässt sich von Wanderwe- gen und Brücken aus bestens erkunden. Foto: A. v. Braunschweig

Das Felsenmeer lässt sich von Wanderwe- gen und Brücken aus bestens erkunden. Foto: A. v. Braunschweig

Von ganz anderen früheren Siedlern fehlt dagegen jede Spur. Sie lassen sich nur von Besuchern mit Fantasie und Lust an Mythen entdecken. Vielleicht ist ja der wissenschaftliche Ansatz Kokolores und das Felsenmeer ist auf ganz andere Art entstanden. Ohne Meerwasser, ohne Riff. Vor allem Kinder hören viel ​lieber die Geschichte, in denen listige Zwerge und tumbe Riesen die Hauptrolle spielen und die beweist, dass der größte Kopf längst nicht immer auch das klügste Gehirn in sich trägt.

Eine Sage will es, dass das Areal des Felsenmeeres einst zum Reich des Zwergenkönigs Alberich gehörte. Die Zwerge schürften hier nach Gold, Silber und anderem Gestein, das funkelt und blinkt. Wer so viele Reichtümer anhäuft, hat auch genug übrig, um die Höhlen ein bisschen wohnlicher zu gestalten und mit Edelsteinen seine Wände zu tapezieren. Alle lebten glücklich zusammen, bis, ja bis der Tag kam, an dem Alberichs Sohn sein kleines Krönchen verlor. Das Schicksal nahm seinen Lauf, denn das Krönchen fiel keinem Geringeren als dem Riesen Wuppert in die Hände.

Strandgäste sind herzlich willkommen.

Die Gier machte sich in dem Dickbauch breit und er forderte die Winzlinge auf, ihm all ihre Schätze zu übergeben. Um die Entscheidungsfreude der Zwerge noch etwas anzustacheln, holte sich Wuppert riesige Verstärkung dazu. Alberich aber wartete, bis sich all die Kolosse in der größten Halle versammelten und murmelte dann flugs einen Zauberspruch. Mit gewaltigem Getöse, heißt es, brach die Halle samt Höhlen über den Riesen zusammen. Vielleicht ist das Felsenmeer also eine sagenhafte Ruinenstadt?

Dieser Text erschien zuerst im WESTFALENSPIEGEL Heft 3/2020. Zur Inhaltsübersicht gelangen Sie hier.

Dieser Text erschien zuerst im WESTFALENSPIEGEL Heft 3/2020. Zur Inhaltsübersicht gelangen Sie hier.

Welche Entstehungsgeschichte er glaubt, muss jeder Besucher für sich entscheiden. Tatsache ist jedoch, dass im Bereich des Felsenmeeres einige der ältesten Spuren von Erzabbau in Westfalen gefunden wurden. Schon im achten und neunten Jahrhundert wurde in mehreren Höhlen im Nordwesten und Südosten des Geländes Eisenstein, Zinkspat und Brauneisenerz abgebaut. All das kann der Besucher auch im Felsenmeer-Museum erfahren, das auf drei Etagen über die Erd-, Stadt und Industriegeschichte der Region informiert.

Für das Felsenmeer an sich gilt, unabhängig von den Öffnungszeiten des Museums: Strandgäste sind herzlich willkommen.

Alexandra von Braunschweig

Die Ausstellung im Felsenmeer-Museum wird von einem Verein betreut, der unter auch über aktuelle Öffnungszeiten, Eintrittspreise und Schutzmaßnahmen informiert. Zur Website des Vereins gelangen Sie hier.

Lesen Sie auch im Bereich "Freizeit"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin