02.08.2011

„Immer unterwegs“: Schausteller-Präsident Alwin Kleuser über das Leben auf dem Rummel

Westfalen (wh). Wenn am 4. August die 576. Cranger Kirmes eröffnet wird, erwartet die Besucher ein weiteres Volksfest der Superlative: Mehr als 500 Stände und Karussells locken das Publikum – darunter zahlreiche Attraktionen aus Westfalen wie der "Power Tower 2" aus Bielefeld, das "Shake & Roll" aus Schwerte oder das "Big Monster" aus Herford.
Jahrzehntelang war auch Alwin Kleuser in Herne mit von der Partie. Der Präsident des Markthandel- und Schaustellerverband Westfalen kennt die Branche wie kaum ein zweiter. Im Interview spricht der 73-Jährige über westfälische Traditionen, das Leben im Wohnwagen und die ganz eigene Spezies der Schaustellerfamilien.

Herr Kleuser, von den rund 500 Karussellbetreibern und Markthändlern auf Crange kommen mehr als 200 aus Westfalen. Hat das Gewerbe hier eine besondere Tradition?
Alwin Kleuser: Westfalen war für Schausteller schon immer eine Hochburg. Viele Familien kommen ursprünglich aus dem Raum Dortmund-Hagen-Schwerte. Das liegt unter anderem an den großen Verkehrswegen, die hier schon seit Jahrhunderten verlaufen und für Schausteller sehr wichtig sind. Wir sind ja beruflich immer unterwegs. Die meisten Schausteller sind im Wohnwagen geboren.

Können sich junge Menschen noch für so eine Branche begeistern?
Kleuser: Nachwuchssorgen haben wir nicht. Schausteller kommen fast immer aus alteingesessenen Familienunternehmen, in denen die Kinder irgendwann den Betrieb der Eltern übernehmen. Das sind schon ganz spezielle Strukturen. Schausteller heiraten ja auch überwiegend untereinander. Es ist ganz selten, dass mal ein Nicht-Schausteller dazwischen kommt.

Woran liegt das?
Kleuser: Wahrscheinlich, weil wir so viel auf Tour sind. Da ist es schwer, außerhalb der Branche einen Bekannten-Kreis aufzubauen. Auf den Kirmesplätzen sehen wir uns dafür immer wieder, da muss man sich quasi kennen lernen.

Welchen Stellenwert hat eine Kirmes heutzutage?
Kleuser: In den 50er Jahren gehörten uns 80 Prozent vom Freizeitkuchen. Dann kamen das Kino, Fernsehen, Großveranstaltungen und Freizeitparks. Heute gehören uns vom Freizeitkuchen vielleicht noch 30 bis 35 Prozent. Trotzdem leiden wir nicht an Besuchermangel. Die Zahlen steigen sogar. Was wir aber durchaus merken: Die Leute geben auf der Kirmes weniger Geld aus. Das macht es für uns im Augenblick schwierig.

Wie schwierig?
Kleuser: Existenzgefährdend ist die Lage nicht. Schließlich sind rund 90 Prozent von uns Familienbetriebe. Da rückt man halt enger zusammen, knappst ein bisschen und hofft auf bessere Zeiten.

Ihr Verband beklagt eine "Überverwaltung"…
Kleuser: In der Tat leiden wir sehr unter den enormen Verwaltungskosten. Wenn ich alleine an die Feinstaubplaketten denke. Von einer Kommune zur anderen ändern sich die Regeln. Unsere Fahrzeuge nutzen wir oft jahrzehntelang, die können nicht nachgerüstet werden. Also braucht es eine Sondergenehmigung und die kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld.

Welche Karussells sind im Moment besonders angesagt?
Kleuser: Der Trend von "höher " schneller " weiter" ist vorbei. Die ganz rasanten Fahrgeschäfte finden ja meist nur Jugendliche toll: Kinder dürfen sie noch nicht benutzen und Erwachsene wollen sich häufig nicht mehr so arg durchschütteln lassen. Heute sind wieder Karussells und Geschäfte für die ganze Familie gefragt.

Es gibt kaum jemanden, der die Kirmesplätze in Deutschland so gut kennt wie Sie. Haben Sie eigentlich eine Lieblingskirmes?
Kleuser: Der westfälische Raum hat schon einiges zu bieten. Crange gehört sicherlich zu den Highlights. Aber auch die Libori Kirmes in Paderborn und die Allerheiligenkirmes in der Soester Altstadt sind ganz besondere Ereignisse.

Achtung Redaktionen: Ein Pressefoto von Alwin Kleuser finden Sie im Downloadbereich unserer Website.

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