Die in den 1930er Jahren erbaute Dreifaltigkeitskirche in Münster wurde nach ihrer Entwirrung umgebaut. Heute sind dort ein soziales Wohnprojekt sowie Büro- und Gewerberäume untergebracht. Foto: Felix Hemmers
27.09.2024

„Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“

Kirchen zählen zu den wichtigsten Zeugnissen des Kulturerbes. Die Initiative Kirchenmanifest setzt sich mit Unterstützung des Westfälischen Heimatbundes für den Erhalt ein und fordert neue Lösungen für eine Trägerschaft.

Zu den Mitinitiatoren zählt Landesdirektor Dr. Georg Lunemann als Vorsitzender des Westfälischen Heimatbundes, des Dachverbandes von rund 600 Heimat-, Bürger- und Kulturvereinen sowie rund 700 ehrenamtlichen Kreis-, Stadt- und Ortsheimatpflegerinnen und -pflegern in Westfalen. Lunemann schildert den Hintergrund der Initiative Kirchenmanifest: „Wir erleben bei den beiden großen Konfessionen in Deutschland seit mehreren Jahren einen deutlichen Mitgliederschwund und damit verbunden einen Rückgang der Kirchensteuer-Einnahmen. Unter diesem Handlungsdruck sehen sich die evangelischen Landeskirchen und die katholischen Bistümer gezwungen, eine Vielzahl an Kirchen, Pfarr- und Gemeindehäusern aufzugeben. Es stellt sich die Frage, was mit dem Gebäudebestand passiert – Verkauf, Leerstand, Umnutzung oder Abriss? Ein Strukturwandel steht an, für den es eine gemeinschaftliche Lösung braucht.“

Landesdirektor Dr. Georg Lunemann ist Vorsitzender des Westfälischen Heimatbundes. Foto: LWL/Kapluggin

Landesdirektor Dr. Georg Lunemann ist Vorsitzender des Westfälischen Heimatbundes. Foto: LWL/Kapluggin

Die Initiative ruft zum Engagement für die Gebäude auf. Dahinter stehe die Sorge, dass angesichts knapper Kassen ein kultureller Ausverkauf droht. „Denn es geht nicht um einzelne Objekte, sondern eine ganze Kirchenlandschaft steht auf dem Prüfstand“, so Lunemann. Von bundesweit mehr als 40.000 Kirchengebäude dürfte mindestens ein Drittel in den kommenden Jahren zur Disposition stehen. „Kirchen sind aus unserer Sicht weder entbehrliche Altlasten noch Spekulationsobjekte im Immobilienportfolio. Kirchen sind vielmehr Gemeingut. Ihr Mehrwert ist vielschichtig – in sakraler, architektonischer, kultureller und sozialer Hinsicht“, betont der Vorsitzende des Westfälischen Heimatbundes. Er verweist auch auf das ökologische Potenzial, das in der intelligenten Nutzung vorhandener Bausubstanz liegt und auf „Mut machende Praxisbeispiele für Nachnutzungen von Kirchen“. Dazu zählen unter anderem Bibliotheken und Meditationsräume, Coworking-Spaces oder auch Kindertagesstätten, Wohnungen und Kulturzentren.

Kirchen begrüßen die Initiative

Neben dem Heimatbund sind unter anderem auch Vertreterinnen und Vertreter der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, der TU Dortmund, von Baukultur Nordrhein-Westfalen und der Bundesstiftung Baukultur in der Initiative vertreten. Neben 75 Erstunterzeichnenden des Kirchenmanifests wie etwa Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg, Präsident der Kunststiftung NRW, und Olaf ZimmermannGeschäftsführer des Deutschen Kulturrates, haben mittlerweile fast 19.700 Menschen die zugehörige Petition unterzeichnet. „Das Besondere an der nichtkirchlichen Initiative Kirchenmanifest ist sicherlich, dass hier ein breite Diskussion für eine gemeinschaftliche Gestaltung des Transformationsprozesses eröffnet wird. Wir sehen dies als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, hier eine bundesweite Lösung mit allen Akteurinnen und Akteuren zu finden“, sagt Lunemann.

Reaktionen auf die Initiative Kirchenmanifest gab es auch bereits von den großen christlichen Kirchen. Die Evangelische Kirche und die Deutsche Bischofskonferenz nennen das Kirchenmanifest in einem gemeinsamen Statement einen „wichtigen Impuls“. Das Manifest nehme „eine gemeinsame Verantwortung für die Nutzung, die Pflege und den Erhalt von Kirchengebäuden in den Blick“; dies sei begrüßenswert heißt es darin.

Die Initiative Kirchenmanifest fordert ein neues Modell für eine Trägerschaft für Kirchenbauten und ihre Ausstattungen. Nach Vorbild der „Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur“ könnte eine Stiftung oder auch eine Stiftungslandschaft das Eigentum an bedrohten Gebäuden übernehmen. „Das Kirchenmanifest war der Auftakt für die Debatte – nun folgt die Arbeit an der Umsetzung“, sagt Lunemann mit Blick auf die Zukunft.

„Kirchen als Vierte Orte“

Die Frage, wie entwidmete Kirchen eine neue Funktion erhalten können, steht auch im Mittelpunkt der Ausstellung „Kirchen als Vierte Orte – Perspektiven des Wandels“ in der Heilig-Geist-Kirche in Essen-Katernberg. Der Verein Baukultur NRW präsentiert in der 2020 geschlossenen Kirche vielfältige Beispiel für Umnutzungen dieses baukulturellen Erbes. Führungen und Diskussionsveranstaltungen begleiten die Schau, die bis zum 6. Oktober läuft. Weitere Informationen hier.

Annette Kiehl, wsp

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