Der "Schwalbenschwanz" wurde sogar in der Innenstadt von Bielefeld gesichtet. Foto: pixabay
11.08.2020

Insekten: Allerweltsarten verschwinden

Es summt und brummt in den Gärten und auf den Wiesen. Sommerzeit ist Insektenzeit. Doch die Welt der Krabbeltiere mit sechs Beinen hat sich in den vergangenen Jahren in Westfalen gewandelt, sagen Experten.

„Wir sehen, dass es in unseren Breiten im Zuge des Klimawandels deutlich wärmer wird. Das hat einen dramatischen Faunenwandel zur Folge“, sagt etwa Werner Schulze, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft westfälischer Entomologen. Die Mitglieder des Vereins beobachten seit der Gründung im Jahr 1965 die Insektenwelt der Region.

Die aktuellen Entwicklungen brächten Gewinner und Verlierer hervor, erklärt auch Dr. Mathias Lohr von der Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe. „Was uns Sorgen macht, ist, dass Arten, die wir früher als Allerweltsarten bezeichnet haben, deutlich abnehmen“, so der Landschafts- und Tierökologe.

Einige Insektenarten flüchten vor der Wärme

Ein Beispiel dafür ist der „Schornsteinfeger“, ein brauner Schmetterling. „Er war mal einer der häufigsten Schmetterlinge in Ostwestfalen. In diesem Jahr habe ich noch kein einziges Exemplar gesehen“, erklärt Schulze. Ein anderes Beispiel ist der „Kleine Fuchs“. Ganze drei Exemplare dieses Schmetterlings hat Schulze 2020 bisher gesichtet. „Bei dieser Art wissen wir, dass sie sich in höhere und kühlere Lagen zurückzieht“, sagt der Experte.

Ein Verlierer des Klimawandels: Der "Schornsteinfeger" wird in Westfalen kaum noch gesichtet. Foto: pixabay

Ein Verlierer des Klimawandels: Der „Schornsteinfeger“ wird in Westfalen kaum noch gesichtet. Foto: pixabay

Die Ursachen für das Verschwinden der Arten sind nicht immer einfach zu erklären. Nicht nur der Klimawandel verändert die Insektenwelt. Auch der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und große Felder mit Monokulturen machen es den heimischen Sechsbeinern schwer, ausreichend Nahrung zu finden. Dagegen sind naturbelassene, kühle und feuchte Wiesen verschwunden. Dort fühlen sich aber viele Insektenarten wohl.

Biomasse und Artenvielfalt der Insekten schwinden

Untersuchungen zu einzelnen Insektenguppen zeigen, dass insgesamt sowohl die Biomasse als auch die Arten deutlich abnehmen. „Die Studien belegen die Entwicklungen, die auch die Entomologen in Krefeld mit ihrer langjährigen Untersuchung aufgezeigt haben: Die Biomasse der Insekten hat deutlich um bis zu 80 Prozent abgenommen und die Arten sind um bis zu 65 Prozent zurückgegangen“, erklärt Schulze. Auch eingeschleppte Arten können zur Bedrohung für die heimische Tierwelt werden. So hat der Asiatische Marienkäfer den hier eigentlich üblichen Zweipunkt-Marienkäfer in nicht einmal 20 Jahren nahezu vollständig verdrängt.

Wie viele und welche Insekten aktuell in Deutschland vorkommen, möchte auch der NABU erfahren. Hierzu hat er alle Interessierten aufgerufen im Rahmen der Aktion „Insektensommer“ in ihrem Garten oder auf Wiesen nach den Sechsbeinern Ausschau zu halten und die gesehenen Tiere zu melden. Die ersten Ergebnisse liegen auch schon vor. Am häufigsten wurde demnach bisher die Ackerhummel gesichtet, gefolgt von der Honigbiene und dem Siebenpunkt-Marienkäfer.

Die Chancen stehen gut, dabei auch Arten zu entdecken, die von den wärmeren Bedingungen profitieren. Denn durch die Klimaveränderungen kämen auch neue Arten in der Region hinzu, so Schulze. Es seien allesamt wärmeliebende Insekten, die häufig von Süden kommend über Frankreich und das Rheinland schließlich in der Region ankommen und bleiben.

Dazu gehört zum Beispiel die Feuerlibelle. „Vor noch 30 Jahren konnte man sie eigentlich nur in den wärmsten Gegenden Deutschlands nachweisen, zum Beispiel am Oberrhein“, sagt Lohr. 2000 wurde sie dann zum ersten Mal im Weserbergland nachgewiesen. Inzwischen fühlt sie sich flächendeckend in ganz Deutschland zuhause. Auch der Schwalbenschanz, eine prächtige Schmetterlingsart, scheint die wärmeren Bedingungen zu mögen. „Er ist deutlich häufiger geworden. Man sieht ihn sogar in der Innenstadt von Bielefeld“, sagt Schulze.

Jürgen Bröker/wsp

Lesen Sie auch im Bereich "Gesellschaft"

Testen Sie den WESTFALENSPIEGEL

Ihnen gefällt, was Sie hier lesen? Dann überzeugen Sie sich von unserem Magazin