15.09.2011

Interviewserie „Wer entscheidet in Westfalen?“: Eva Irrgang – Landrätin des Kreises Soest

Soest (wh). Integrationsarbeit ist für Eva Irrgang ein übergeordnetes Thema. Und das nicht erst seitdem sie im Juni von Staatsministerin Maria Böhmer in den Bundesbeirat für Integration berufen wurde. Bereits vor zwei Jahren gründete die Landrätin im Kreis Soest ein Integrationsteam, das sich ausschließlich um die Belange von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte kümmert. Darüber hinaus werden ihre Verwaltungsmitarbeiter regelmäßig zum Thema "interkulturelle Kompetenzen" geschult, und ab und an finden gemeinsame Ausflüge zu den örtlichen Moscheen statt. Im Interview spricht die CDU-Politikerin über die multikulturelle Gesellschaft in Westfalen und ihr Anliegen, in der Kreisverwaltung mehr Migranten zu beschäftigen.

Frau Irrgang, Sie wurden als einzige Vertreterin eines Landkreises in den Bundesbeirat für Integration berufen. Wie kam es dazu?
Eva Irrgang: Die Aufgabe der Integration von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte ist mir als Landrätin ein besonderes Anliegen. Daher habe ich kurz nach der Übernahme meines Amtes beim Kreis Soest das Thema zur Chefsache erklärt und ein Integrationsteam eingesetzt. Seitdem arbeitet unsere Verwaltung sehr erfolgreich mit vielen Akteuren, insbesondere den Migrantenorganisationen, Verbänden und Kommunen zusammen, um die Integration im Kreisgebiet voranzubringen. Inzwischen wurden einige erfolgreiche Kreisprojekte durchgeführt, die bei den Migranten und Netzwerkpartnern auf breite Zustimmung gestoßen sind. Beispielhaft nenne ich hier die jährliche Vergabe eines Integrationspreises oder die Erstellung der Kreishomepage für Integration "www.Zuhause-im-Kreis-Soest.de". Das ist sicher einer der Gründe, warum mich die kommunalen Spitzenverbände als Vertreterin für den Bundesbeirat vorgeschlagen haben.

Welches Anliegen haben Sie bei dieser Aufgabe?
Irrgang: Integration findet vor Ort statt. Somit kommt den Städten, Gemeinden und Kreisen in ihrer Basisarbeit eine ganz besondere Bedeutung zu. Ich möchte insbesondere meine Praxiserfahrungen vor Ort in das Beratungsgremium des Bundes einbringen, damit Entscheidungen auf dieser Ebene passend zu den örtlichen Bedarfen getroffen und praxisnahe Lösungen erarbeitet werden. Die Situation von Migranten und die jeweiligen Integrationsbedarfe können im großstädtischen oder ländlichen Bereich sehr unterschiedlich sein. Daher sehe ich in meiner Beiratsarbeit auch eine Chance für unsere ländlich geprägte Region, ihre speziellen Belange einfließen zu lassen.

Der Kreis Soest gilt als typisch westfälische und traditionsbewusste Region. Macht es das Einwanderern Ihrer Erfahrung nach schwerer oder leichter, sich einzuleben?
Irrgang: Zuwanderer stellen ohne Frage eine Bereicherung für die Gesellschaft dar. Menschen mit anderen Sprachen und Kulturen bringen neue Potentiale ein, die zum Beispiel in vielen beruflichen Bereichen genutzt werden können. Daher sind Neubürger aus anderen Ländern im Kreis Soest herzlich willkommen. Das bringen wir bereits mit den regelmäßigen Einbürgerungsfeiern zum Ausdruck, bei denen die Neubürger viel Wertschätzung erfahren, aber auch durch Willkommenspakete, welche jeder Zugewanderte ab Herbst 2011 erhalten soll. Im Kreis Soest gibt es in allen Bereichen des öffentlichen Lebens ein gemeinsames Miteinander von Einheimischen und Migranten. Entscheidend dabei ist Toleranz und gegenseitige Offenheit, unabhängig vom Lebensort. Natürlich darf man auch als Verwaltung an den Bemühungen um weitere Verbesserung der Integration nicht nachlassen.

In der Kreisverwaltung Soest werden nun die Mitarbeiter zum Thema "Interkulturelle Kompetenz" geschult. Warum ist das notwendig?
Irrgang: Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft. Allein im Kreisgebiet leben Menschen aus über 140 Nationalitäten. Jeder von ihnen bringt seine eigene Kultur mit. Für die Kreisverwaltung Soest ist mir wichtig, dass jedem Bürger mit seinem Anliegen offen und freundlich begegnet wird und dabei mögliche kulturelle Barrieren oder Missverständnisse ausgeschlossen werden. Die Kreismitarbeiterinnen und -mitarbeiter müssen unterschiedliche kulturelle Hintergründe kennen, um das Verhalten von Migrantinnen und Migranten verstehen zu können. Ziel der Schulung kann nicht sein, Kenntnisse über alle Kulturen zu vermitteln, sondern die Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter für das Thema zu sensibilisieren.

Sie möchten, dass sich mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte um Jobs in der Kreisverwaltung bewerben. Wie wollen Sie das erreichen?
Irrgang: Ich bin davon überzeugt, dass junge Migrantinnen und Migranten die gleichen Potentiale mitbringen, wie einheimische Jugendliche. Leider spiegelt sich dies in den Bewerbungen um Arbeitsplätze in der Verwaltung nicht wider. Möglicherweise bestehen Hemmschwellen, sich zu bewerben. Über gezielte Pressearbeit, Informationen in Schulen und unsere Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen möchten wir Ausbildungsangebote auch für Migrantinnen und Migranten bekannter und interessanter machen. Dabei können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisverwaltung, die selbst Migrationshintergrund haben, als positive Beispiele dienen.

Sie selbst stammen aus Dortmund und arbeiten als Landrätin nah an Ihrer Heimatstadt. Haben Sie persönlich schon einmal die Erfahrung gemacht, fremd in einer anderen Kultur zu sein?
Irrgang: Es ist richtig, dass ich in meinem kulturellen Umfeld geblieben bin. In Dortmund habe ich eine großstädtische Lebenssituation von Migranten erfahren, in der Menschen vieler Kulturen auf engerem Raum zusammen leben. Die dort tätigen Institutionen und Einrichtungen, wie beispielweise Kindertageseinrichtungen und Schulen, betreiben vielfach intensive Integrationsarbeit. Um diese Erfahrungen auch auf unsere Region zu übertragen, führt der Kreis Soest in Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung in Arnsberg derzeit ein Hospitationsprojekt in der Grundschule Kleine Kielstraße in Dortmund durch, welche für ihre Integrationsarbeit 2006 den ersten Preis der Robert-Bosch-Stiftung erhalten hat. Fünf Grundschulen aus Soest, Werl und Geseke nehmen über ein Jahr an Hospitationstagen in der Dortmunder Grundschule teil und werden ihre Erfahrungen anschließend in die Projektarbeit mit dem Integrationsteam und der Schulaufsicht des Kreises Soest einbringen. Ich erhoffe mir dadurch wertvolle Impulse für alle Schulen des Kreises Soest, denn insbesondere eine gelungene Schulbildung bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Integration.

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