19.01.2012

Interviewserie „Wer entscheidet in Westfalen?“: Frank Baranowski, Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen

Gelsenkirchen (wh). Trotz hoher Arbeitslosigkeit und knapper Kassen: Frank Baranowski hat Visionen für seine Heimatstadt Gelsenkirchen. Mehr Familienfreundlichkeit, bessere Kooperationen mit den Ruhrgebietsstädten und ein Konjunkturpaket 3 zählen dazu, wie der Oberbürgermeister im Interview mit "Westfalen heute" erzählt.

Sie engagieren sich für die Einheit des Ruhrgebiets. Wie wichtig ist für Sie Westfalen?
Frank Baranowski: Ich gebe zu, dass ich bei meiner alltäglichen Arbeit selten in der Kategorie Westfalen denke. Das Ruhrgebiet als Region kommt da schon häufiger vor. Natürlich werden die Menschen von der Region, in der sie leben geprägt, und da gibt es zwischen dem Rheinland und Westfalen auch deutliche Unterschiede. Dass aber die kommunale Situation in Gelsenkirchen anders wäre als in Essen, kann ich nicht feststellen.

Merkt man trotzdem, dass Gelsenkirchen eine westfälische Stadt ist?
Je weiter man in Gelsenkirchen nach Norden kommt, desto westfälischer wird es. Das hat etwas mit der Geschichte, aber auch mit der Mentalität der Menschen zu tun. Ab und zu bekomme ich noch Briefe, bei denen als Absender "Buer in Westfalen" angegeben ist. Ich selbst wohne im Stadtteil Horst " ungefähr 400 Meter von Essen entfernt. Zugegeben: Wenn ich da die Stadtgrenze überschreite, fühlt es sich nicht anders an.

Sie fordern schon seit langem eine stärkere Kooperation der Ruhrgebietsstädte.
Es wird immer deutlicher, dass wir einander brauchen. Das gilt gerade für das mittlere Ruhrgebiet. Trotzdem gibt es im politischen Geschäft natürlich immer die Verlockungen der Augenblickserfolge, bei denen Kommunalpolitiker zum Wohl der eigenen Stadt und eventuell zu Lasten der Nachbarstadt entscheiden. Davon kann ich mich auch selbst nicht frei sprechen.

Könnte es für Gelsenkirchen nicht auch ein Gewinn sein, stärker mit westfälischen Städten zusammenzuarbeiten, die nicht im Ruhrgebiet liegen?
Die meisten westfälischen Städte, wie etwa Münster, sind eigene Zentren und haben ein Umland. Das Umland von Gelsenkirchen besteht aus Herne, Herten, Essen, Gladbeck, Bottrop und Bochum. Das sind alles große Städte, die sich gegenseitig stark beeinflussen: Da führt jeder Ego-Trip zu negativen Beeinträchtigungen des Nachbarn. Deshalb sind diese Kommunen unsere primären Kooperationspartner. Dass es darüber hinaus auch Gespräche mit Münster gibt, etwa im Bereich von gemeinsamen Verwaltungsabläufen, versteht sich von selbst.

Eine weitere populäre Forderung von Ihnen ist das Aussetzen der Solidarzahlungen für den Aufbau Ost bei Städten, die im Nothaushalt sind.
Fast alle Städte im Ruhrgebiet müssen den Soli über Kredite finanzieren. Das ist ein Unding. Spätestens wenn die Verträge 2019 auslaufen, sollte das Geld nicht mehr nach Himmelsrichtungen, sondern nach Bedürfnislage verteilt werden. Es ist doch eine Überlegung wert, aus dem Finanzvolumen der Soli-Zahlungen neue Konjunkturhilfen zu machen, eine Art Konjunkturpaket 3, dessen Mittel die Städte in ihre Infrastruktur investieren können.

Gelsenkirchen wurde von den negativen Seiten des Strukturwandels hart getroffen: Die Einwohnerzahl sinkt, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Wie bleibt eine Stadt trotzdem lebenswert?
Die demografische Entwicklung gilt für das ganze Land und kann nicht von einer einzelnen Stadt umgekehrt werden. Wir müssen aber dafür sorgen, dass die Abwanderung nicht zu groß wird. Im Gegenteil: Die Stadt muss so attraktiv werden, dass die Menschen gerne hierherziehen und wir dann nach einem Schrumpfungsprozess eine Größe beibehalten, mit der man eine Stadt gut organisieren kann. Ich verschließe nicht die Augen vor der Realität, aber man kann dafür sorgen, dass das Kleinerwerden einer Stadt auch mit mehr Lebensqualität einhergeht.

Die oft schlechten Nachrichten tragen aber nicht dazu bei, Menschen in die Stadt zu locken.
In der Tat ist es sehr mühsam, die Klischees über Gelsenkirchen aus den Köpfen der Menschen zu bekommen. Das kann immer nur im Kleinen funktionieren. Wir wollen mit überzeugenden Lösungen von uns reden machen, etwa beim Thema Kinderfreundlichkeit oder bei der Koppelung von günstigen Wohnbaugrundstücken mit einer guten Infrastruktur. Wenn uns das gelingt, werden die Menschen auch wieder verstärkt hierherziehen.

Wie verbringen Sie ihre Freizeit in Gelsenkirchen und in Westfalen?
Ich laufe sehr viel. Das Wegenetz in der Region ist toll und die Naherholung liegt direkt vor der Haustür. Eine wunderschöne Strecke ist zum Beispiel die Erzbahntrasse zur Bochumer Jahrhunderthalle. Ich nutze aber auch das Kulturangebot. Im Musiktheater im Revier verpasse ich kaum eine Premiere und direkt bei mir um die Ecke liegt das Schloss Horst " einer der bedeutendsten Renaissancebauten Westfalens.

Letzte Frage: Wann wird Schalke denn nun endlich Deutscher Meister?
Ich habe ja im letzten Jahr erlebt, wie schön der DFB-Pokal im Arm liegt. Natürlich wüsste ich jetzt gerne, ob sich die Schale genauso gut anfühlt. Aber das wichtigste ist doch, dass Schalke oben mitspielt und im internationalen Wettbewerb bleibt. Bei allem anderen halte ich es mit Franz Beckenbauer und sage "schau"n mer mal".

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