Interviewserie „Wer entscheidet in Westfalen?“: Michael Groschek, NRW-Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr
Westfalen (wh). Westfalen hinkt in der Verkehrsanbindung anderen Regionen hinterher: Der Ausbau der eingleisigen Bahnstrecke zwischen Münster und Lünen zählt seit 1985 zum "vordringlichen Bedarf" ohne realisiert zu werden, die Region Siegen-Wittgenstein gilt als eine der am schlechtesten erreichbaren, die B1 scheint ein Nadelör. Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW, spricht im Interview mit "Westfalen heute" über die wichtigsten Projekte der Region, das Selbstbewusstsein der Südwestfalen und den Glauben an mehr politische Bewegung.
Herr Minister, Sie sind viel im Land unterwegs. Wie bewegen Sie sich in Westfalen fort?
Michael Groschek: Als Minister bin ich meistens mit dem Dienstwagen unterwegs, muss ich gestehen. Es lässt sich in NRW grundsätzlich gut reisen, aber natürlich gibt es Lückenschlüsse, die notwendig sind, wie zum Beispiel den Bau der B67 Reken-Dülmen. Dafür gibt es eine große Bürgerinitiative. Das finde ich klasse, dass Bürger sich auch mal zusammenfinden, um für etwas zu demonstrieren. Und dann gibt es Gespräche, wie wir die B64 hinbekommen, die Verbindung zwischen Münster und Bielefeld. Da liegt mir daran, möglichst frühzeitig die Gegner des Projekts mit einzubeziehen und zu sehen, ob man nicht eine gemeinsame Lösung findet, die den Umweltinteressen genauso gerecht wird wie den Verkehrsinteressen.
Im Gegensatz dazu: Was sind die Vorzeigeprojekte der Region?
Im Bereich der Nahmobilität gibt es gerade in Münster und Bocholt echte Leuchttürme. Wer es schafft, fast 40 Prozent des innerstädtischen Verkehrs auf das Fahrrad zu bekommen, der setzt Maßstäbe für die Zukunft. Ich glaube, dass der Höhepunkt der Automobilverliebtheit überschritten ist. Das heißt natürlich nicht, dass Berufspendler sich zwangsweise aufs Fahrrad setzen sollen, aber dass wir zukünftig viel häufiger das Verkehrsmittel wechseln zwischen Auto, Fahrrad und öffentlichem Personennahverkehr.
Was schätzen Sie, wann können Wirtschaft und Pendler mit ersten Verbesserungen rechnen?
Der Bundesverkehrsminister hat mich auf meinen Antrag hin, die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für die Bahnstrecke Münster-Lünen vorzuziehen, dazu aufgefordert, Geduld zu haben. Das bedauere ich sehr und habe dafür kein Verständnis. Die Prüfung wäre notwendig, um die Planung voran zu treiben. Er vertröstet mich jedoch und bittet mich, auf der Internetseite zu verfolgen, wie der Planungsstand ist. Das ist eine Flapsigkeit, die nicht angemessen ist im Umgang zwischen Verkehrsministern.
Damit zieht sich der Ausbau weiter in die Länge. Warum dauert die Umsetzung solcher Projekte so lange?
Da kommen ganz unterschiedliche Aspekte zusammen. Einmal muss man sehen, wie die wirtschaftliche Entwicklung im Nachkriegsdeutschland in NRW war. Damals wurden natürlich erst die großen Industrieregionen und Ballungsräume versorgt und dann erst der ländliche Raum, aber inzwischen hat sich vieles verändert. Südwestfalen ist zum Beispiel die Industrieregion in NRW geworden, mit der höchsten Industriearbeitsplatzdichte je Einwohner. Da zeigt sich jetzt auch ein neues Selbstbewusstsein der Südwestfalen, zum Beispiel in Form der Regionale 2013.
Sie legen immer wieder dar, dass Sie etwas erreichen wollen, Ihnen die Hände aber gebunden sind – glauben Sie, dass Sie in Berlin am Ende Ihre Interessen durchsetzen können?
Ich bin davon fest überzeugt. Wenn ich nicht an mehr Bewegung glauben würde, wäre ich fehl am Platz. Ich sammele jetzt gerade Bündnispartner, weil wir gemeinsam stärker werden müssen. Wir sollten gemeinsam nutzen, was an Infrastrukturperspektiven da ist " und wir müssen NRW-Interessen auch in Berlin noch deutlicher vertreten.
Wenn Sie an Westfalen denken, was assoziieren Sie als erstes damit?
Münster, Verlässlichkeit und den guten alten Steigerspruch: "Schöpp-schöpp und quatsch nicht".