Junges Engagement für Heimat: Schüler der Bockhorster Grundschule betreuen ihren eigenen Bienenstock. Foto: Henning Rattenholl/ Heimatverein Bockhorst
05.12.2019

Jahresrückblick 2019: Heimat hat Hochkonjunktur

Ob es um politische Debatten, neue Bücher oder auch um Werbeslogans geht – der Begriff Heimat ist in aller Munde. In zahlreichen Heimatvereinen in Westfalen engagieren sich Ehrenamtliche bereits seit vielen Jahren für dieses Thema. Dr. Silke Eilers, die Geschäftsführerin des Westfälischen Heimatbundes (WHB), Dachverband für rund 570 Heimat- und Bürgervereine sowie 700 ehrenamtliche Heimatpfleger in der Region, erklärt im Interview mit westfalenspiegel.de, ob sich dieser Trend auch dort bemerkbar macht und ob die „Heimat-Förderung“ der Landesregierung an den richtigen Stellen ankommt.

Frau Dr. Eilers, wie beurteilen Sie den „Hype um Heimat“?
Dr. Silke Eilers: Die Heimatverbände definieren Heimat über die drei Komponenten Mensch, Kultur und Natur. Heimat ist für uns ein aktiver Gestaltungsprozess. Hier übernehmen Bürgerinnen und Bürger freiwillig Verantwortung für unser natürliches und kulturelles Erbe, für den Erhalt von Lebensqualität und den sozialen Zusammenhalt vor Ort. Leider wird der Begriff Heimat zurzeit in vielen Fällen beliebig genutzt. Oft dient er als Vehikel für verschiedenste Inhalte bis hin zum Werbespruch. Wir als Heimatvertreter stehen für einen weltoffenen und einladenden Heimatbegriff und grenzen uns damit auch klar von rechtspopulistischen Tendenzen ab. Heimatarbeit ist ein Beitrag zu einer aktiven Zivilgesellschaft und Demokratiearbeit.

Welchen Effekt hat die mediale Aufmerksamkeit für die Arbeit der Heimatvereine?
Unsere Heimatvereine sind seit vielen Jahrzehnten, manche schon seit mehr als 100 Jahren vor Ort aktiv, stehen aber nicht unbedingt im Licht der Öffentlichkeit. Man sollte den „Hype um Heimat“ nutzen, um diejenigen, die sich tagtäglich in den Dörfern, Städten und Stadtteilen ehrenamtlich engagieren, ins rechte Licht zu rücken. Dafür setzen wir uns als Dachverband ein. Die Vereine sind sicherlich, wie andere Initiativen auch, mit dem Thema demografischer Wandel konfrontiert. Mut machende Aktivitäten in der ganzen Region zeigen jedoch, wie es gelingen kann, Kinder und Jugendliche für die Besonderheiten ihrer Umgebung zu begeistern und neue Zielgruppen anzusprechen. 

Wie weckt man im Zeitalter digitaler Medien das Interesse für Heimat?
2019 haben wir im Westfälischen Heimatbund den Fokus bewusst auf das Thema Nachwuchs gerichtet. Es ist uns wichtig, junge Menschen früh für ihr Umfeld zu interessieren. Das ist eine der zentralen Aufgaben für Heimatakteurinnen und -akteure. Dann stehen die Chancen gut, dass junge Menschen sich später selbst einmal engagieren oder vielleicht nach der Ausbildung in die Heimat zurückkehren. Es gibt positive Beispiele für Heimatvereine in Westfalen, die etwa Kinder- und Jugendgruppen gegründet haben, altersgerechte Programme anbieten oder mit Kitas und Schulen kooperieren. Dabei zeigt sich, dass die Arbeit mit originalen Exponaten aus dem Heimatmuseum, Geschichten aus den Lebenszusammenhängen früherer Generationen oder auch das Kennenlernen der Natur durchaus Interesse wecken. Wichtig ist, dass wir einen Bezug zur eigenen Lebenswelt herstellen.

Die Landesregierung fördert das Thema Heimat mit einem umfangreichen Programm, darunter sind „Heimat-Schecks“, „Heimat-Fonds“ und „Heimat-Preise“. Kommt das Geld an den richtigen Stellen an?

Dr. Silke Eilers. Foto: Greta Schüttemeyer/ WHB

Dr. Silke Eilers. Foto: Greta Schüttemeyer/ WHB

Das Land stellt über das NRW-Heimatministerium in dieser Legislaturperiode fast 150 Millionen Euro für das Thema Heimat zur Verfügung. Als Dachverband der Heimatvereine ist es unser Anliegen, dass diese hohe Summe an Steuergeld so eingesetzt wird, dass die Ehrenamtlichen in den Dörfern, Ortsteilen und Städten, die sich schon lange für die Heimatarbeit einsetzen, optimal unterstützt und vorhandene Strukturen nachhaltig gestärkt werden. Wir haben dem Land bei diesem Thema eine Partnerschaft auf Augenhöhe angeboten, doch bislang gibt es leider nur wenige Berührungspunkte. In der Mitgliederversammlung des WHB am 27. November 2019 haben wir fast einstimmig ein Positionspapier verabschiedet, das konkrete Vorschläge für eine nachhaltige Heimatpolitik mit verlässlichen Strukturen für NRW macht. Wir würden uns freuen, wenn das NRW-Heimatministerium diese Einladung zum Dialog aufgreifen würde.

Wie funktioniert das in anderen Bundesländern?
Andere machen es uns vor, wie es funktionieren kann. Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern sind Beispiele für Bundesländer, in denen eine gute Verzahnung zwischen der Heimatpolitik des Landes und der ehrenamtlichen Heimatbewegung stattfindet. Auch das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat hat erkannt, dass die Heimatbewegung ein starker Kooperationspartner ist. Wir sitzen als WHB dort mit am Tisch und freuen uns über das Interesse an unserer Arbeit. 

Interview: Annette Kiehl / wsp

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