Katharina Kost-Tolmein leitet als Generalintendantin das Theater Münster und dessen Musiktheatersparte. Foto: Theater Münster/Martina Pipprich
12.03.2025

„Jetzt bauen wir wieder auf“

Münsters Generalintendantin Katharina Kost-Tolmein über die Entwicklung des Musiktheaters und seines Publikums. Ein Interview aus dem WESTFALENSPIEGEL 1/2025.

Letztens stand in Münster eine Opern-Gala auf dem Spielplan, ich war früh da, aber Parkhaus wie Foyer waren leer. Auch bei einigen Opernvorstellungen war die Auslastung nicht gut. Wie schlimm ist sie gerade im Musiktheater Münster?
Katharina Kost-Tolmein: Von schlimm kann keine Rede sein. Wir haben in der Oper jede Saison fünf Neuinszenierungen und zwei Wiederaufnahmen im großen Haus. Da gibt es zwischenzeitlich schon schwächere Phasen, aber auch andere, in denen es schwierig ist, noch eine Karte zu kriegen. Die Opern-Gala ist allerdings ein besonderes Phänomen. Letztes Jahr haben wir auch eine gemacht, und die war immer ausverkauft. Diesmal war das Programm stärker auf neues Publikum hin ausgerichtet und wir waren ein bisschen früher dran. Das scheint ein Problem gewesen zu sein. Da haben mir einige Leute gesagt, dass sie im Spätsommer und frühen Herbst noch keine Lust auf Theater haben.

Wäre es dann besser, die Saison erst später anzufangen? Die Oper Bonn hat das in dieser Spielzeit gemacht und erst im Oktober losgelegt.
Mit den Opernpremieren haben wir das auch so gemacht. Aber es ist produktionstechnisch nicht machbar, alle unsere Aufführungen in einem Halbjahr zu konzentrieren. Wir haben vor allem immer das Problem bei Wiederaufnahmen. Wir müssen ja mit unseren Mitteln haushalten und können nur fünf neue Stücke inszenieren. Da haben wir noch die Aufgabe vor uns, die Kommunikation zu verbessern und das Publikum auch nach einer Spielpause schnell wieder zu erreichen. „Königskinder“ von Engelbert Humperdinck schlägt sich gar nicht schlecht an der Kasse. Das ist ja schon ein Titel, der nicht allgemein bekannt ist. Und „La Bohème“ haben wir im Dezember herausgebracht, die ist jetzt immer ausverkauft.

Oper als Weihnachtsstück

Ist denn die Oper noch eine Kunstform, mit der ein großes Publikum erreicht werden kann?
Da ist schon Interesse. Wenn wir optimal kommunizieren, steigen auch immer die Zahlen. Es ist allerdings eine große Aufgabe, Menschen Musiktheater neu nahezubringen. Ich höre oft, dass viele gern ins Schauspiel oder in den Tanz gehen, aber Oper als voraussetzungsvoller empfinden. Das muss man lernen zu mögen. Deshalb sind wir in dieser Spielzeit das Wagnis eingegangen und haben eine Oper als Familienstück vor Weihnachten inszeniert, „Sasja und das Reich jenseits des Meeres“ von Gordon Kampe.

Nun gibt es ja gerade vielerorts heftige Debatten um Einsparungen in den Kulturetats. Spüren Sie da einen Druck, noch mehr Publikum anzuziehen, noch erfolgreicher zu sein? Weil Ihnen sonst eventuell Verbündete fehlen?
Natürlich ist da wachsender Druck. Ich finde das auch völlig in Ordnung, dass wir immer wieder zur Debatte stellen, was wir tun. Wir sind ja in einer Gesellschaft, in der die Kultur als hoher Wert betrachtet wird. Es ist nicht immer einfach zu verstehen, warum Theater so teuer sind. Wir sind ein personalintensiver Betrieb, das war immer so. Und ich höre immer wieder aus der Politik, dass diese Kulturgebäude, diese Treffpunkte, an denen Menschen zusammenkommen, um sich Geschichten erzählen zu lassen, als sehr wichtig angesehen werden. Außerdem kann man in der Kultur ja nur wenig einsparen. Und jede Tausend Euro, die uns fehlen, haben Folgen. Weil alle Positionen gerade so ausgestattet sind, dass wir auf dem aktuellen Level arbeiten können.

Also sehen Sie kein Sparpotenzial im Theater?
Seit ich hier angefangen habe, hat dieses Haus über eine Million Euro pro Jahr weniger an Zuschüssen. Ich bin sehr dankbar, dass wir die Zusage haben, dass die Tarifsteigerungen übernommen werden. Das ist ja nicht überall so. Wir haben aber schon bedeutende Kürzungen hinter uns. Da gibt es überhaupt keine Luft und keinen Puffer mehr ohne spürbare Veränderung am Output.


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Ich hatte früher den Eindruck, in Münster gebe es ein stabiles, bürgerlich geprägtes Publikum, das zuverlässig die Opernaufführungen füllt. Das scheint mir jetzt nicht mehr so zu sein. Hat sich da etwas verändert?
Münster ist erst einmal groß genug, um ein Musiktheater zu füllen. Der Kern des Publikums, für den ein Opernbesuch normal ist, wird aber immer kleiner, nicht nur in Münster. Diese Besuchenden sind wichtig, auch für die intellektuelle Auseinandersetzung. Wir müssen aber darüber hinaus Menschen anziehen. Und das müssen wir aus eigener Kraft schaffen, Volksbühnen oder Besucherorganisationen gibt es nicht mehr. Ebenso wenig Busse aus dem Umland. Das merkt auch unser Junges Theater, wenn es um Schulen von außerhalb geht. Die Tickets können sie noch bezahlen, aber die Anreise ist oft schwierig. Gleichwohl haben wir einen hohen Anteil von Besucherinnen und Besuchern aus dem Münsterland. Aber die kommen individuell.

Wie sieht es denn mit der Entwicklung der Abos aus?
Wir haben gerade mit einer großen Kampagne tausend Neu-Abonnenten gewonnen. Schon vor der Pandemie sind die Abozahlen langsam immer weiter gesunken. Jetzt bauen wir wieder auf. Also kann unser Angebot ja nicht so falsch sein. Wir müssen aber dran bleiben und immer neue Wege der Kommunikation finden. Jede Vorstellung – auch von der Opern-Gala – muss im Prinzip als einzelnes Event beworben werden. Interview: Stefan Keim

Aktuelle Opernaufführungen am Theater Münster: „Carmen“, 15.4., 9.5.; „La Bohème“, 15. und 30.3.; „Das schlaue Füchslein“, ab 12.4.; „Il Giasone“, ab 31.5.; Weitere Informationen hier.

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