Herausforderung Weihnachtsfest
Corona hat das Leben in den evangelischen und katholischen Kirchengemeinden schwer getroffen. Nun stehen sie vor der nächsten Herausforderung: Weihnachten unter Corona-Bedingungen.
„Wir leben vom Kontakt zu den Menschen“, sagt der Landeskirchenrat der Evangelischen Kirche von Westfalen, Dr. Vicco von Bülow, im Gespräch mit dem WESTFALENSPIEGEL. In Zeiten sozialer Distanzierung zum Infektionsschutz ist diese Nähe aber nur schwer aufrecht zu erhalten. Die Einschränkungen träfen die Kirche daher ins Mark, so von Bülow.
So müssen die Gottesdienste unter angepassten Bedingungen und mit verringerter Teilnehmerzahl stattfinden. In seiner Gemeinde in Bielefeld seien an normalen Sonntagen vor Corona 100 bis 150 Mitglieder zum Gottesdienst erschienen. Aktuell dürften nur noch 40 kommen, erklärt von Bülow. Auch in der Propsteikirche in der Dortmunder Innenstadt haben sich die Besucherzahlen deutlich reduziert. „Vor Corona kamen zwischen 500 und 600 Besucher zu den Gottesdiensten am Sonntag. Jetzt sind es gerade einmal 200“, sagt Propst Andreas Coersmeier. Von den 400 Plätzen in der Kirche dürften nur 65 belegt werden.
Nur jede zweite Bank besetzt
Um trotz Corona überhaupt gemeinsam Gottesdienst feiern zu können, gilt in den Kirchen seither Maskenpflicht, wenn die Inzidenz die erste Warnstufe von 35 überschreitet. Nur jede zweite Bank wird besetzt und zwischen den einzelnen Plätzen in den Bänken wird ein Abstand von mindestens 1,5 Metern vorgeschrieben. „Ab einer Inzidenz von 50 wird der Gemeindegesang deutlich reduziert“, so das Bistum Münster.
Ein weiteres Problem der Kirchengemeinden: Gruppen, in denen sich Ehrenamtliche engagieren und die vielerorts Herzkammer des Gemeindelebens sind, müssen auf gemeinsame Treffen verzichten. „Einige Gruppen versuchen ihre Treffen digital stattfinden zu lassen. Das gelingt vor allem im Bereich der Jugendarbeit“, sagt von Bülow. In den meisten Gemeinden haben aber zum Beispiel Chöre seit Beginn der Pandemie im März nicht mehr gemeinsam geprobt. „Die Sehnsucht, sich zu treffen, ist da. Aber wir mussten das Gemeindeleben doch deutlich zurückfahren“, erklärt auch Coersmeier.
Einnahmen sinken
Auch die Einnahmen der Kirchen sind gesunken. Konkrete Zahlen liegen noch nicht vor. Neben den Rückgängen bei der Kirchensteuer fehlen auch die Einnahmen durch Spenden und Kollekten. Zumal der Korb für die Kollekte aktuell nicht durch die Reihen gegeben werden darf.
Eine weitere Herausforderung liegt ganz aktuell vor den katholischen Gemeinden: Dort wird an diesem Sonntag (1.11.) Allerheiligen gefeiert. Traditionell gedenken die Katholiken an diesem Tag den Verstorbenen und treffen sich zur Gräbersegnung auf den Friedhöfen. Auch dafür gibt es in Corona-Zeiten aber Vorschriften. „Ab einer Inzidenz von 50 können Gräbersegnungen auf den Friedhöfen mit bis zu 100 Personen ohne weiteres durchgeführt werden. Ab 101 bis zu 500 Personen braucht es ein mit der zuständigen Gesundheitsbehörde abgestimmtes Infektions- und Hygieneschutzkonzept“, schreibt Münsters Generalvikar Dr. Klaus Winterkamp in einem Brief an die Gemeinden. Mit mehr als 500 Personen sei eine Gräbersegnung ab einer Inzidenz von 50 unzulässig.
„Weihnachten findet statt nur anders und kreativer“
Schon jetzt werden in den evangelischen und katholischen Kirchen Pläne für Weihnachten geschmiedet. „Das wird eine große Herausforderung“, sagt von Bülow. Um den Gemeinden Ideen an die Hand zu geben, sammeln sowohl das Bistum Münster als auch die Evangelische Landeskirche von Westfalen Ideen. „Wir werden andere Orte und andere Formen für Gottesdienste finden müssen“, sagt von Bülow und nennt gleich ein paar Beispiele: So hätten Gemeinden in Bielefeld und Verl bereits die örtlichen Fußballstadien gemietet, um mit einer größeren Anzahl an Mitgliedern Weihnachtsgottesdienste unter freiem Himmel feiern zu können.
In Freudenberg gebe es Pläne für eine Weihnachtsprozession durch die Stadt, auf der die Weihnachtsgeschichte erzählt werde. Andere Gemeinden wollen Tickets für die Weihnachtsgottesdienste vergeben oder statt drei oder vier Messen an den Feiertagen viele Kurzandachten anbieten.
Die Dortmunder Propsteigemeinde verlegt die Gottesdienste an Weihnachten vor die Tür auf den Propsteihof. Dort wird es an Heilig Abend zwei Wortgottesdienste geben. Der Vorteil: „Draußen kann auch gesungen werden. Was wäre Weihnachten ohne Weihnachtslieder“, so Coersmeier. Anschließend können die Besucher sich auch die Krippe ansehen. Hierzu wird eine Einbahnstraßenregelung unter der Aufsicht von Ordnern erarbeitet. Coersmeier und von Bülow sind optimistisch, dass trotz Corona Weihnachtsstimmung aufkommen wird. „Weihnachten wird ganz sicher nicht ausfallen“, sagt von Bülow. „Es wird nur anders und kreativer werden.“
jüb/wsp