Nach dem Starkregen im Juli 2014 wurden Münsters Straßen zu Flüssen. Foto: Matthias Ahlke
31.01.2019

Klimawandel – und jetzt?

Wie sich Kommunen auf zunehmende Wetterextreme wie Sturm, Starkregen und Hitze vorbereiten. 

Wer wissen möchte, wie sich der Klimawandel vor der westfälischen Haustür auswirken könnte, der muss sich nur die vergangenen zwölf Monate ins Gedächtnis rufen. Sturm, Hitze, Trockenheit, Starkregen – alles, worauf wir uns in Zukunft vermehrt einstellen müssen, hatte das Jahr 2018 geballt im Gepäck.

Gleich zu Beginn fegte Orkantief „Friederike“ über das Land, knickte allein in der Region Hochstift-Paderborn mehr als 650.000 Festmeter Holz um und legte den Bahnverkehr lahm. Im Mai brachte eine Gewitterserie an vielen Orten die Kanalisation an ihre Grenzen. Starkregen prasselte auf die Soester Innenstadt und setzte diese unter Wasser. Im Höxteraner Stadtteil Ottbergen wälzte sich eine Schlammlawine durch die Straßen. Hitze und Trockenheit quälten vor allem die Bevölkerung in den Städten anschließend über Wochen und Monate. Die Füllstände der Talsperren sanken auf Rekordtiefstände.

Alles in allem hat das vergangene Jahr verdeutlicht, dass der Klimawandel nicht irgendwann und irgendwo stattfinden wird. Er ist jetzt schon spürbar und hat längst auch wirtschaftliche Folgen. Landwirte verzeichneten durch die anhaltende Dürre extreme Ernteausfälle. Das Niedrigwasser im Rhein bremste nicht nur die dortige Binnenschifffahrt aus sondern auch den Warentransport auf den Kanälen in Westfalen. Vereinzelte Lieferengpässe für Sprit und andere Rohstoffe waren die Folge.

Land unter in Münster

2018 war ein extremes Jahr, das gezeigt hat, wie verwundbar Städte und Kommunen sind. Vor allem die Überhitzung in den Innenstädten sowie die Hochwassergefahr bei Starkregen stellen die Verwaltungen vor enorme Herausforderungen und setzen sie unter Handlungsdruck. Zusätzlich zum Klimaschutz, der schon seit vielen Jahren in den Verwaltungen verankert ist, rücken damit Maßnahmen zur Eindämmung der Folgeschäden durch den Klimawandel in den Fokus der Städte. Denn dauerhaft wird es in Westfalen heißer, sagen Experten. „Viele dachten lange Zeit, Klimawandel betreffe nur Inseln im Pazifik“, sagte NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser im Herbst bei der Vorstellung der aktuellen Daten zu den Auswirkungen des Klimawandels in NRW. Ein Jahr wie dieses werde aber immer weniger zum Ausreißer.

In Münster wissen Stadt und Bürger nur zu gut, welche Auswirkungen Starkregen haben kann. Am 28. Juli 2014 zog das Tiefdruckgebiet Quintia über die Stadt hinweg und brachte eine nie dagewesene Regenflut mit. 40 Millionen Kubikmeter Wasser schüttete es in wenigen Stunden auf Münster. 26 Mal mehr als die Kanäle und Wasserläufe hätten aufnehmen können. Ganze Straßenzüge standen unter Wasser. Keller liefen voll. Zwei Menschen starben.

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Vor solch apokalyptischen Regenmengen kann sich keine Stadt schützen. „Aber wir können lernen, die schlimmsten Auswirkungen zu managen und die Menschen für das Thema zu sensibilisieren“, sagt Heiner Bruns, Leiter des Amtes für Grünflächen, Umwelt und Nachhaltigkeit in Münster.

Renaturierung der Aa

In Münster ist seit 2014 viel passiert. Der Rat der Stadt hat ein Klimaanpassungskonzept verabschiedet. Engpässe in der Kanalisation wurden beseitigt, Deiche angelegt und verbessert und auch die Renaturierung des Flusses Aa ist abgeschlossen. Die Maßnahmen an Gewässern wurden mit Mitteln aus Fördertöpfen des Landes mitfinanziert.

Im Zeitraum von 2015 bis 2018 hat die Stadt außerdem am Forschungsprojekt „WaSiG“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung teilgenommen, koordiniert von der Fachhochschule Münster. WaSiG steht für „Wasserhaushalt siedlungsgeprägter Gewässer“. Vereinfacht gesagt, geht es darum, wie Kommunen lernen, mit Regenwasser zu planen und nicht gegen dieses zu kämpfen. Ziel soll es demnach sein, den lokalen natürlichen Wasserhaushalt, also die natürlicher Weise vorkommenden Anteile an Oberflächenabfluss, Versickerung und Verdunstung mit Entwässerungskonzepten möglichst gut nachzubilden.

Bochum schwitzt

Die gewonnen Erkenntnisse aus dem Projekt gilt es nun von der Forschung in die Praxis umzusetzen. „Ziel kann es zukünftig nicht sein, das komplette Regenwasser durch die Kanalisation abzuleiten“, sagt Sonja Kramer vom Tiefbauamt der Stadt. Stattdessen müsse man lernen, Regenwasser auch positiv zu nutzen. Beispielsweise können Abflüsse verringert werden, indem man das Regenwasser zu größeren Anteilen verdunsten lässt. So trägt es im Sommer durch die Verdunstung zur Abkühlung der Stadt bei. „Dazu müssen wir es aber über offene Oberflächen ableiten“, sagt Kramer. Im Bestand ist das schwierig, aber wo neue Gebiete geplant werden, lässt sich das umsetzen. In Münster ist das beispielsweise bei der Erschließung des Geländes der Oxford Kasernen geschehen.

In Bochum soll mehr Grün auf den Dächern der Stadt zu mehr Entwässerung und einem besseren Klima beitragen. Foto: Peter van Dyk

In Bochum soll mehr Grün auf den Dächern der Stadt zu mehr Entwässerung und einem besseren Klima beitragen. Foto: Peter van Dyk

Auch im Bochumer Rathaus gibt es ein Konzept zur Klimaanpassung. Ein großer Schwerpunkt darin: Die Belastung durch Hitze zu reduzieren. Seit mehr als 100 Jahren werden in Bochum Wetterdaten aufgezeichnet. Sie zeigen, dass sich die Zahl der heißen Tage (mehr als 30 Grad Celsius) in diesem Zeitraum verdoppelt hat. Bis 2050 soll sie sich sogar verdreifachen. Die Folgen dieser Entwicklung will die Stadt für ihre Bürger möglichst gering halten.

„Dabei stehen wir vor der Herausforderung, dass viele Maßnahmen im Bestand durchgeführt werden müssen“, sagt Philipp Schuster, Klimaschutzmanager der Stadt. In Bochum wird das konsequent angegangen. Das beginnt schon bei der Bepflanzung der Stadt. „Wo wir Bäume fällen müssen, pflanzen wir sturmresistente und klimaangepasste Arten wie den Rot-Ahorn, den Amberbaum oder die heimische Hainbuche“, sagt Schuster. Dort, wo Gebäude saniert werden, sollen helle Fassadenanstriche gewählt und eine Dach- oder Fassadenbegrünung durchgeführt werden. Ebenso hat die Stadt Bochum die Folgen übermäßiger Versiegelung mit Blick auf zunehmende Starkregenereignisse und Hitzeinseln mit in den Fokus des Handelns aufgenommen.

Ämter vernetzen

Schon diese vermeintlich kleinen Maßnahmen hätten eine positive Wirkung für das Stadtklima, sagt Tobias Kemper von der Energieagentur NRW. Die Agentur berät Kommunen nicht nur, gemeinsam mit anderen Institutionen veranstaltet sie Regionalforen zur Klimafolgenanpassung. Das nächste Forum findet am 13. März in Arnsberg für den dortigen Regierungsbezirk statt, im Mai folgt ein weiteres für die Region Münsterland. Außerdem soll es in 2019 noch ein spezielles Forum für die Großstädte NRWsgeben.

Einfacher für die Kommunen ist die Planung neuer Projekte. Kemper betont, dass es dabei wichtig sei, „dass Klimafolgenanpassung konsequent integriert, also von vornherein in Planungsprozessen mitgedacht wird.“ In Bochum sind die beteiligten Ämter vernetzt. Bevor ein neues Baugebiet ausgewiesen wird, überprüfen Experten, ob eine geplante Bebauung die notwendigen Frischluftschneisen beeinträchtigt. Ein entsprechendes Wasserkonzept ist ebenfalls Bestandteil der Planung.

Aktuellstes Beispiel in Bochum ist die Entwicklung des Ostparks. Unter dem Namen „Plan4Change“ wurde das Projekt vom Bundesumweltministerium gefördert. Auf dem Areal sollen rund 13 Hektar Wohnbauland und 12 Hektar neue Grünflächen entstehen. Rund 1000 Wohneinheiten werden in unterschiedlichen Gebäudetypen gebaut. Bei der Planung der Straßen sollen helle und wasserdurchlässige Materialien berücksichtigt werden. Das Regenwasser soll genutzt werden, um einen Wasserlauf zu füllen. Die Gebäudeausrichtung der Neubauten ist so gewählt, dass die Wirkung des Gebiets als Frischluftschneise für die angrenzenden Stadtteile erhalten bleibt.

Klima schützen

Die Beispiele aus Münster und Bochum zeigen, dass das Thema Klimafolgenanpassung so aktuell wie nie zuvor ist. Auch andere Kommunen haben Konzepte, erstellen Starkregenkarten wie etwa die Stadt Unna. Mit entsprechenden Maßnahmen lässt sich auch in der Bevölkerung punkten. „Die unmittelbare Betroffenheit der Bürger ist sehr groß. Man sieht es natürlich, wenn Bäume vom Orkan gefällt werden oder man hat sogar selbst größere Schäden am Eigentum, wenn bei Starkregen die Keller volllaufen“, sagt Schuster. Beim Klimaschutz sei das anders. Kohlendioxid könne man nun mal nicht riechen.

Sowohl Bochum als auch Münster sind in der Vergangenheit mehrfach für Ihr Klimaschutzengagement ausgezeichnet worden. Davon zeugen auch die vielen Urkunden und Plaketten auf dem Gang vor dem Büro des Münsteraner Grünflächenamtsleiters Heiner Bruns. Geht es nach ihm, kommen in den nächsten Jahren noch weitere hinzu. „Wir können nicht nur die Klimafolgen bekämpfen. Wenn wir eine Chance gegen die Folgen des Klimawandels haben wollen, dann müssen wir auch weiter Klimaschutz betreiben“, sagt Heiner Bruns.

Jürgen Bröker

Dieser Beitrag erschien in Heft 1/2019 des WESTFAELNSPIEGEL.

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