Der Flüchtlingsstrom wegen des Krieges in der Ukraine reißt nicht ab. Symbolbild: Bröker/wsp
19.10.2022

Kommunen am Limit

Immer mehr geflüchtete Menschen kommen nach Westfalen. Die Kommunen in der Region stoßen an ihre Grenzen, erste Turnhallen werden wieder als Unterkunft hergerichtet. 

So wurden in dieser Woche in Coesfeld die ersten geflüchteten Menschen in einer Turnhalle untergebracht. Eigentlich sollte dieser Schritt vermieden werden, schreibt Bürgermeisterin Eliza Diekmann in ihrem Instagram-Profil. Doch: „Jetzt hat die Dynamik für uns eine neue Stufe erreicht: Die Sportvereine, die Schulen, die vielen Gruppen, denen wir nach der Corona-Krise nichts mehr ,nehmen’ wollten, werden erneut gebeutelt“, in dem sie unter anderem auf eine Dreifachturnhalle für den Sportbetrieb verzichten müssten. Auch in Ahaus musste die Stadt bereits eine Turnhalle umwidmen. Dort sind derzeit knapp 60 Menschen untergebracht. Mindestens weitere 100 Flüchtlinge werden in den kommenden Wochen noch in die Stadt kommen, heißt es aus dem Ahauser Rathaus.

Zu den besonders stark belasteten Kommunen gehört auch die Stadt Siegen. Dort sind in diesem Jahr bereits rund 300 Flüchtlinge und Asylbewerber sowie 1066 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen worden. Hinzu kommen 2392 aufgenommene Personen mit einer Wohnsitzauflage, was einer Aufnahmequote von über 192 Prozent entspreche, teilt die Stadt mit. Damit übersteigen die Zahlen schon jetzt die von 2015. „Die Situation ist dramatisch. Wir haben aktuell große Probleme, die Menschen unterzubringen“, sagt Siegens Bürgermeister Steffen Mues.

Flüchtlingszahlen auf dem Niveau des Krisenjahrs 2015

So geht es vielen Städten. „Die Unterbringungskapazitäten reichen für neuankommende Geflüchtete nicht mehr aus. Schon jetzt liegen die Flüchtlingszahlen in den großen NRW-Städten auf dem Niveau des Krisenjahrs 2015. Wir müssen davon ausgehen, dass die Zahlen im Winter weiter ansteigen werden“, sagte Thomas Kufen, Vorsitzender des Städtetages NRW. Weil zahlreiche Kommunen an ihre Belastungsgrenze stoßen, forderte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds (StGB) NRW, Christof Sommer, von Bund und Land, mehr Verantwortung zu übernehmen: „Das Land muss jetzt schnell handeln und die Kapazitäten in den eigenen Einrichtungen deutlich erhöhen. Die bisher in Aussicht gestellten 3850 zusätzlichen Plätze werden nicht ausreichen, um die Städte und Gemeinden spürbar zu entlasten.“ Sommer kritisierte zudem, dass es bisher keine Aussage zur Finanzierung im kommenden Jahr gebe. Dabei sei völlig klar, dass die Aufgaben 2023 nicht kleiner werden.

400 winterfeste Unterkunftsplätze

Derweil hat die Bezirksregierung Münster mitgeteilt, dass die Notunterkunft für ukrainische Kriegsflüchtlinge in der ehemaligen Zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes (ZUE) in Schöppingen bis zum 31. Mai 2023 weiter betrieben wird. Dort stehen 400 winterfeste Unterkunftsplätze zur Verfügung. Aktuell betreibt die Bezirksregierung Münster Ukraine-Notunterkünfte in Dorsten, Haltern am See und Schöppingen sowie künftig in Castrop-Rauxel als „Puffer-Einrichtungen“, um den Kommunen mehr Zeit bei der Beschaffung von längerfristigen Unterkunftsplätzen zu verschaffen. Die Plätze in den Landeseinrichtungen werden den Standort-Kommunen auf ihre Unterbringungsquoten angerechnet, heißt es.

Jürgen Bröker/wsp

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