Kommunen schreiben Brandbrief
Immer mehr Kommunen geht finanziell die Luft aus, so der Städte- und Gemeindebund NRW. Hunderte Bürgermeister haben einen Brandbrief an den NRW-Ministerpräsidenten geschrieben. Der Kreis Lippe hat bereits eine Haushaltssperre erlassen.
Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen schlagen Alarm. „Die Summe an aktuellen Herausforderungen überfordert die Kommunen“, so Dr. Eckhard Ruthemeyer, Präsident des Städte- und Gemeindebunds NRW. Daher haben 355 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister einen Brandbrief an Ministerpräsident Hendrik Wüst geschrieben, in dem sie deutlich machen, dass die kommunale Selbstverwaltung gefährdet sei. „Während die Steuereinnahmen stagnieren und Bund und Land Zuweisungen kürzen, explodieren die Kosten für Sachaufwendungen und Personal sowie die Versorgung von Geflüchteten. Zusätzlich konfrontieren Bund und Land die Städte und Gemeinden mit neuen Aufgaben wie etwa dem Rechtsanspruch auf Ganztag, ohne die nötigen Mittel bereitzustellen“, sagt Ruthemeyer.
Sparmaßnahmen reichen nicht
Schon jetzt hat die schwierige Finanzlage für die Verwaltungen Konsequenzen. So rechnet der Kreis Lippe mit einem Defizit von 35,6 Millionen Euro für das Jahr 2024, die ursprünglichen Planungen sahen ein Defizit von 10,7 Millionen Euro vor. Grund für die enorme Steigerung seien vor allem unzureichende Erstattungen des Bundes im Bereich Eingliederungshilfe für Behinderte und Flüchtlingskosten, rückläufige Schlüsselzuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen, aber auch höhere Kosten für Personal und den ÖPNV. All das habe ein unvorhersehbar großes Loch in die Kreiskasse gerissen, teilt der Kreis Lippe mit.
„Das Bittere ist, dass wir trotz all unserer Sparmaßnahmen und der bereits eingeplanten Kreisumlage-Erhöhung um rund 15 Millionen Euro nun völlig unverschuldet in dieser Situation stecken“, sagt Landrat Dr. Axel Lehmann. „Vor allem die Aufgaben, die wir für Bund und Land beispielsweise im Sozialbereich übernehmen, sind immens. Eine 100-prozentige Gegenfinanzierung der Kosten findet aber weitgehend nicht statt. Ich fordere deshalb Bund und Land dazu auf, endlich ihrer Verantwortung gerecht zu werden und die kommunale Familie nicht länger finanziell im Regen stehen zu lassen.“
Vier von zehn Kommunen vor Haushaltssicherung
Er ist mit seinen finanziellen Sorgen in der kommunalen Familie bei weitem nicht allein. Erst vor kurzem ergab eine Umfrage des Städte- und Gemeindebund NRW, das rund 40 Prozent der befragten Kommunen vor einem Haushaltssicherungsverfahren stehen. „Die chronische Unterfinanzierung und die Vielzahl an Krisen nehmen uns die Luft zum Atmen“, so Ruthemeyer. „Wenn Bund und Land nicht endlich ein Einsehen haben und die Kommunen so ausstatten, dass sie ihren Aufgaben gerecht werden können, schlittern wir 2024 ungebremst in die Handlungsunfähigkeit“
Die Kommunen fühlen sich von Land und Bund im Stich gelassen. Auf der einen Seite gebe das Land den Kommunen seit Jahren nicht die Mittel, die sie brauchen und der Bund weise ihnen immer neue Aufgaben zu, ohne dafür zu bezahlen, so Ruthemeyer weiter. Die Entscheidung der Bundesregierung, zum Jahr 2024 das Gesetz auslaufen zu lassen, das den Kommunen die Möglichkeit gab, Folgekosten der Pandemie und des Ukraine-Krieges aus den Haushalten herauszurechnen, schnüre den Städten und Gemeinden nun die Luft ab.
Kaum Einsparmöglichkeiten
In Hagen hat der dortige Kämmerer die Bürgerinnen und Bürger bereits vor drastischen Einschnitten im kommenden Jahr gewarnt. Allerdings haben die Kommunen kaum Möglichkeiten, Geld einzusparen. Sie können den Rotstift nur bei den freiwilligen Leistungen ansetzen, etwa in den Bereichen Bäder, Bildung oder Kultur. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Einnahmenseite zu erhöhen, was vor allem eine Erhöhung der Grundsteuer bedeuten könnte. Das soll aber unbedingt vermieden werden, heißt es vom Städte- und Gemeindebund NRW. Schließlich ist die Steuerschraube gerade in den NRW-Kommunen bereits stark angezogen.
Immerhin ist für die Entlastung der Kommunen bei den Altschulden Bewegung in Sicht. Erst im Juni hatte die Landesregierung angekündigt, die Hälfte der kommunalen Altschulden zu übernehmen. Um die Details wird aber immer noch gerungen. Ursprünglich war vorgesehen, die Kommunen schon Mitte 2024 zu entlasten. Nun soll die Entschuldung zum Haushaltsjahr 2025 erfolgen.
jüb, wsp