Vor allem Industriebetriebe schätzen ihre wirtschaftliche Lage derzeit eher negativ ein. Foto: Pixabay
25.10.2024

Krisenstimmung in der Wirtschaft

Die Industrie- und Handelskammern in Westfalen zeichnen in ihren aktuellen Konjunkturumfragen ein düsteres Bild und appellieren an die Politik.

In Südwestfalen bewerten lediglich 16 Prozent der Betriebe ihre Geschäftslage als gut, 37 Prozent melden eine schlechte Lage. Nur zu Beginn der Corona-Pandemie sei die Stimmung ähnlich schlecht gewesen, berichten die IHKs Siegen, Hagen und Arnsberg. Die Konsequenz davon sei eine Zurückhaltung der Unternehmen bei Investitionen und bei Einstellungen von Mitarbeitenden. „Wir befinden uns nicht nur in einem konjunkturellen Abschwung, sondern mitten in einer ernsten Strukturkrise“, sagt der Präsident der IHK Siegen, Walter Viegener. Besonders ernst sei die Situation in der heimischen Industrie. Lediglich elf Prozent der Betriebe sind optimistisch, während 46 Prozent ihre Lage als schlecht bezeichnen.

Arbeitsmarkt unter Druck

Ähnlich ist die Tendenz im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region. 27 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage als schlecht, nur noch 22 Prozent als gut, so die IHK Nord-Westfalen. Vor allem in der Industrie sei die Zuversicht gering. Nur noch jedes zehnte produzierende Unternehmen berichte von vollen Auftragsbüchern und guten Umsätzen. Nach einer schwachen Erholung in der ersten Jahreshälfte habe sich die Stimmung in der nordwestfälischen Wirtschaft im Herbst wieder verschlechtert. „Nur noch jeder siebte Betrieb rechnet in den nächsten Monaten mit besseren Geschäften,“ sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Fritz Jaeckel bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. Eine Entwicklung bereitet dem Wirtschaftsvertreter Sorgen: „Die wirtschaftliche Schwäche hinterlässt inzwischen deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt.“

„Die Wirtschaft steckt in der Rezession und viele Betriebe sind stark verunsichert“, sagt Stefan Schreiber, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Dortmund. Mittlerweile bewerte nicht einmal mehr jedes fünfte Unternehmen seine Geschäftslage mit „gut“. Zum Jahresbeginn 2024 waren es immerhin noch knapp 25 Prozent. 20 Prozent der Unternehmen schätzen ihre Situation als schlecht ein, rund 60 Prozent sprechen von einer zumindest befriedigenden Lage. Als Gründe nennen die Unternehmen „hohe Energie- und Rohstoffpreise“, diese belasten besonders die Industrie. Noch schwerer wiege jedoch eine schwache Inlandsnachfrage, die besonders dem Handel zusetze. Als größtes Risiko für die Entwicklung der Wirtschaft werden branchenübergreifend die schlechten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen genannt. „Ausufernde Bürokratie und zu lange Genehmigungsverfahren sorgen dafür, dass der Wirtschaftsmotor immer mehr stottert“, kritisiert Schreiber und fordert „echte Wachstumsimpulse“. Auch die südwestfälischen Kammern appellieren an die Politik in Bund und Land und fordern „weniger Regulierung, geringere Energiepreise sowie eine intakte Verkehrsinfrastruktur“. Ansonsten werde der nächste Aufschwung an der Region vorbeiziehen, so die IHK-Präsidenten aus Hagen, Arnsberg und Siegen.

Hohe Produktionskosten belasten Industrie

Notwendig sei eine Trendwende in der Wirtschaftspolitik, heißt es übereinstimmend von den Kammern. „Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung geht zwar in die richtige Richtung, benötigt aber eine höhere Umsetzungsgeschwindigkeit“, sagt die Bielefelder IHK Hauptgeschäftsführerin Petra Pigerl-Radtke mit Blick auf eine Konjunkturumfrage unter ostwestfälischen Handels- und Dienstleistungsunternehmen. Die Stimmung im Einzelhandel sei weiterhin angespannt, bei vielen Dienstleistern stagniere die Geschäftsentwicklung. Personalmangel und steigende Arbeitskosten zählten in dieser Branche derzeit zu den Risikofaktoren. Ostwestfälische Industrieunternehmen seien hingegen vor allem durch hohe Produktionskosten belastet. Diese müssten zurück auf ein international vergleichbares Niveau gebracht werden. „Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland muss wieder stärker in den Mittelpunkt rücken“, appelliert IHK-Präsident Jörn Wahl-Schwentker in Richtung Politik.

aki, wsp

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