Kulturförderung: „Leuchttürme“ oder „Gießkanne“?
Die Stärkung von Kultur im ländlichen Raum war in den vergangenen fünf Jahren eines der wichtigen Ziele von Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (CDU). „Dritte Orte“ lautet dabei das Stichwort für die Förderung von Kulturzentren abseits der Großstädte. Alte Gasthöfe, Jugendzentren oder auch leerstehende Kirchen sollten mithilfe von Landesgeldern zu Kulturtreffs und Begegnungsorten weiterentwickelt werden.
13,5 Millionen Euro stellt das Land NRW insgesamt von 2021 bis 2023 für 26 „Dritte Orte“ zur Verfügung. Von Harsewinkel bis Stemwede, von Netphen-Deuz bis Emmerich reichen die Standorte. Es gehe darum, Ankerpunkte für kulturelle Vielfalt zu schaffen, Identität vor Ort zu stärken und damit auch gleichwertige Lebensverhältnisse in urbanen und ländlichen Räumen zu sichern, heißt es aus dem Ministerium.
In Waltrop entsteht in einem mehr als 100 Jahre alten Gebäude „Waltrops 3.Ort“ – eine Art „Kulturwohnzimmer“. Die knapp 30.000 Einwohner starke Stadt am nördlichen Rand des Ruhrgebietes hat 450.000 Euro an Fördergeldern für den Aufbau des Zentrums erhalten. Bildung, Kultur und Begegnung sind dort die thematischen Pfeiler des Programms. Vorlesenachmittage und Spieleabende, Lesungen, Schreibworkshops für Jugendliche oder auch Handarbeitstreffs finden statt. Die Regie über das Projekt hat die Volkshochschule, die ebenfalls in dem Haus sitzt und dort Unterrichtsräume hat. In Schmallenberg sieht der „Dritte Ort“ ganz anders aus: Im Holz- und Touristikzentrum der sauerländischen Stadt entsteht ein multifunktionaler Raum, den kulturelle Vereine, Institutionen und Kulturakteure aus Schmallenberg für Ihre Ideen nutzen können. Das Besondere: Dort entsteht in Kooperation mit der Jugendkunstschule „kunsthaus alte mühle“ eine „Kinderbaustelle“, in der Mädchen und Jungen in Workshops handwerkliche Gewerke ausprobieren können. Dabei werden sie angeleitet von ehrenamtlichen Helfern.
Könnten Waltrop und Schmallenberg mit diesen „Dritten Orten“ ein Vorbild auch für andere Städte und Gemeinden auf dem Land sein? Die Landesregierung ist von diesem Modell überzeugt; einige Experten fordern hingegen eine stärkere Förderung von Spitzenkultur im ländlichen Raum.
Zur Landtagswahl am 15. Mai haben wir die Parteien gefragt, was in der Kulturförderung passieren soll. Brauchen die Gemeinden große Museen, Theater und Konzerthäuser – also „Leuchttürme“? Oder sollte die Förderung eher per „Gießkanne“ – also über den gesamten Raum verteilt – passieren? Hier die Antworten:
CDU: Die CDU setzt sich für eine vielfältige und kreative Kulturszene in Nordrhein-Westfalen ein. Mit einem Kulturhaushalt, der bis 2022 von 200 auf 315 Millionen Euro pro Jahr gewachsen ist, geben wir der Kultur den Stellenwert zurück, den sie verdient. Daher werden wir auch in der kommenden Wahlperiode den Kulturhaushalt erneut um 50 Prozent erhöhen. Für 2022 und 2023 unterstützt die CDU-geführte Landesregierung mit rund 1,3 Millionen Euro freie Tanz- und Theaterfestivals und schafft so Planungssicherheit für Künstlerinnen und Künstler, die durch Corona in Not oder Engpässe geraten sind. Von dieser Förderung profitieren unter anderem die regional verankerten und international vernetzten kleineren Veranstaltungen in Westfalen wie das Straßentheaterfestival „Bildstörung“ in Detmold oder das Festival „Hellwach“ in Hamm als elementare Bestandteile der bunten Kulturlandschaft der Region. Zudem wollen wir das erfolgreiche regionale Kultur- und Förderprogramm der „Dritten Orte“ flächendeckend weiterentwickeln, um die kulturelle Infrastruktur in ländlichen Regionen wie Westfalen noch weiter auszubauen. Bisher wurden bereits 26 Projektideen umgesetzt, davon auch einige in Detmold.
FDP: Unsere Kulturpolitik ist geprägt von der gleichmäßigen Wertschätzung der verschiedensten Erscheinungsformen von Kunst und Kultur. Aus dieser Haltung wollen wir Breite und Vielfalt der Kulturszene unseres Landes stärken. Wir haben für einen deutlichen Aufwuchs der Kulturförderung des Landes um 50 Prozent gesorgt. Damit konnten wir für eine spürbare Stärkung der Kulturszene in NRW sorgen. Wir wollen diesen Weg fortsetzen und auch zukünftig den Kulturetat steigern, mit einem jährlichen Zuwachs von 20 Millionen Euro. Zur Sicherstellung der Kulturangebote im ländlichen Raum sind Erhalt und Stärkung der Infrastruktur vor Ort nötig. Hier ist das Land gefordert, Kommunen und Landschaftsverbände bei dieser überregionalen Aufgabe zu unterstützen. Wir setzen uns für die Stärkung des Programms „Dritte Orte“ ein und wollen einen Landesfonds für die Stärkung kultureller Infrastruktur im ländlichen Raum entwickeln. Dafür setzen wir weiter auf die enge Zusammenarbeit mit den Kommunen und den Landschaftsverbänden, die wesentliche Träger der Kultur im ganzen Land sind.
SPD: Kultur ist keine brotlose Kunst, sondern Nahrung für Geist und Seele. Deshalb werden wir in den nächsten zwei Regierungszeiten die bisherige Förderung verdoppeln. Wir wollen auch die Position unserer Künstlerinnen und Künstler stärken: durch faire Honorarvereinbarungen, eine bessere Förderung und soziale Absicherung. Kunst und Kultur ist für alle da, egal ob auf dem Land oder in der Stadt. Weder der ländliche Raum noch die Städte dürfen kulturell ausbluten. Daher werden wir die Daseinsvorsorge in den Kommunen weiter konsolidieren und für einen Ausbau und Anschluss der ländlichen Angebote sorgen.
Grüne: Wir haben auch in Westfalen eine wunderbar große Vielfalt an Kulturangeboten. Dazu gehören Museen, kleinere Kunstvereine, Bühnen und Clubs, die es zu schützen und zu unterstützen gilt. Kulturförderung muss angemessen und verlässlich sein. Die Städte, Gemeinden und Kreise sind wichtige Geldgeber für die Kultur vor Ort, deshalb wollen wir die finanziellen Mittel stärken. Aber auch die Förderlandschaft des Landes wollen wir weiterentwickeln und krisenfest machen. Mit den Erfahrungen der Corona-Krise werden wir die Förderstrukturen vor allem dahingehend verbessern, dass die Verwaltungen von Bund, Land und Kommunen in der Kulturförderung besser zusammenarbeiten. Dabei behalten wir die etablierten Kunstformen ebenso wie die freie Szene und Soziokultur fest im Blick. Denn die facettenreiche Kulturszene – in NRW und Westfalen –ist auch Nährboden unserer offenen und vielfältigen Gesellschaft.
AfD: Grundgesetzlich garantierte Kunstfreiheit meint Freiheit von jeglichen staatlichen Vorgaben oder Repressionen. Eine Kulturförderung nach kunstfernen Kriterien wie Geschlecht, Ethnie oder „politisch korrekter“ Haltung lehnen wir ab. Jede Kulturgemeinschaft steht in der Pflicht, ihre überlieferten Kunst und Kulturgüter unabhängig von Geschmackspräferenzen oder politischen Einstellungen zu pflegen und zu bewahren. Dazu gehört die etablierte „Hochkultur“ ebenso wie Volkskultur, Brauchtum und Denkmalschutz. Die AfD NRW begrüßt den landesweiten Erhalt und Betrieb von Orchestern, Theatern, Bibliotheken, Museen, Denkmälern und vergleichbaren Kultureinrichtungen. Von großer Bedeutung sind dabei auch die Kunst- und Kulturförderung jenseits der Metropolen. Kommunen sollen bei Einrichtung und Betrieb von Kulturhäusern als Zentren für alle Formen kulturellen Lebens unterstützt werden.
Annette Kiehl, wsp