Die Selbstpflücker bleiben in diesem Jahr auf den Erdbeerfeldern der Region bisher aus. Foto: Erwin Lorenz/pixelio.de
01.06.2022

Landwirt zerstört eigene Erdbeerfelder

Weil die Preise für Erdbeeren und Spargel sehr niedrig sind, pflügen einige Landwirte ihre Felder bevor sie dort ihre Ernte eingefahren haben.

Der Fall hat bundesweit für Aufsehen gesorgt: Ein Landwirt aus dem Münsterland hat seine Erdbeerernte lieber vernichtet, als sie für niedrige Preise an die Einzelhandelsketten zu verkaufen. Leicht gefallen sei ihm die Vernichtung von Lebensmitteln nicht, schließlich stecke viel Arbeit in den Feldern, sagt der Landwirt im Gespräch mit dem WESTFALENSPIEGEL. Weil er wegen seiner Aktion vielen Anfeindungen auf verschiedenen Kanälen ausgesetzt war, möchte er lieber anonym bleiben. Aber er habe keine andere Wahl gehabt betont er: „Wenn ich meine Felder abernten würde und die Erdbeeren an den Einzelhandel verkaufen würde, würde ich jeden Tag ein Minus von 7000 Euro machen.“ Da wäre es wirtschaftlicher auf die Ernte zu verzichten und stattdessen auf den Flächen Mais anzubauen.

Für die niedrigen Preise sehen die Erdbeerbauern mehrere Gründe. Zum einen setze der Lebensmittelhandel auf Produkte aus Spanien oder den Niederlanden. Dort könne billiger produziert werden, weil die Lohnkosten geringer seien, heißt es. Außerdem fällt die Erdbeerernte in dieser Saison in Deutschland sehr gut aus, sodass zu viele Erdbeeren auf dem Markt sind. Die Folge: Die Preise fallen.

Weniger Menschen pflücken selbst

Zu den Vorwürfen, zu lange auf ausländische Ware zu setzen, teilt ein Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels mit: „Um auch den Kunden ein Angebot machen zu können, die außerhalb der Saison in Deutschland Erdbeeren kaufen möchten, gibt es im Lebensmitteleinzelhandel auch Ware ausländischer Anbieter. Je nachdem, wann die Erdbeersaison bei uns startet, was vor allem witterungsabhängig ist, kann es zu längeren Überschneidungszeiträumen kommen, in denen ausländische und heimische Waren in ähnlicher Größenordnung im Handel verfügbar ist.“

In solchen Tunneln ist der Anbau von Erdbeeren rentabler. Foto: pixabay

In solchen Tunneln ist der Anbau von Erdbeeren rentabler. Foto: pixabay

Bernd Möllers, Experte für Erdbeeren vom Landesverband Obstbau Westfalen-Lippe, hat noch einen weiteren Grund für die angespannte Lage ausgemacht: „In den vergangenen beiden Jahren war die Quote bei den Selbstpflückern sehr hoch.“ Zahlreiche Menschen nutzten das Erdbeerpflücken während der Pandemie als „Event“. Jetzt gibt es wieder andere Freizeitaktivitäten. Da zugleich die Spritpreise sehr hoch seien, verzichten viele Städter auf die Fahrt aufs Land, so Möllers. Die Selbstpflücker bleiben aus. Allerdings machen die kommenden Feiertage den rund 180 Erdbeerbauern in Westfalen wieder etwas Hoffnung. Zu Pfingsten scheint die Nachfrage anzuziehen, sagt Möllers.

Auch Spargelbauern sind in schwieriger Lage

Beim Spargel ist die Lage nicht viel besser. Auch hier fällt die Ernte gut aus, aber die Verbraucher sind zurückhaltend – trotz moderater Preise. „Der Absatz bleibt in diesem Jahr hinter den Erwartungen zurück“, sagt Ralf Große Dankbar, Spargelexperte bei der Landwirtschaftskammer NRW. Wahrscheinlich liege das an der hohen Inflation. „Allein die Kosten für die Energie fressen ja schon bei vielen Menschen einen Großteil des Einkommens auf“, so Große Dankbar. Für Spargel bleibt dann nicht mehr viel übrig, vermutet er. Das gleiche gelte auch für Erdbeeren. So geraten zahlreiche Betrieben wirtschaftlich unter Druck. Inzwischen überlegen weitere Landwirte aus der Region, ebenfalls ihre Erdbeer- und sogar Spargelfelder umzupflügen und die potenzielle Ernte zugunsten von Maispflanzen zu vernichten, weiß der Münsterländer Erdbeerbauer aus Gesprächen mit Kollegen.

Auch die Preise für Spargel sind in diesem Jahr deutlich niedriger als in den Vorjahren. Foto: pixabay

Auch die Preise für Spargel sind in diesem Jahr deutlich niedriger als in den Vorjahren. Foto: pixabay

Er selbst hat aus den aktuellen Entwicklungen bereits weitere Konsequenzen gezogen und setzt verstärkt auf einen Anbau unter dem Folientunnel. „Die Erdbeeren stehen darin auf Tischen. Das hat den Vorteil, dass die Erntehelfer schneller arbeiten können. Zudem kann man unter den Folien mehr als einmal im Jahr ernten“, so der Landwirt. Seine Anbauflächen auf den Feldern hat er dagegen in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. 20 Hektar waren es einmal. In diesem Jahr baute er auf nur acht Hektar Freiland Erdbeeren an, im kommenden Jahr sollen es nur noch drei Hektar sein.

Jürgen Bröker, wsp

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