„Legal oder illegal spielt keine Rolle“
Glücksspiele im Internet werden ab Mitte 2021 in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt sein, haben die Bundesländer entschieden. Spielerkonten, Zeitlimits und Sperrdateien sollen dazu beitragen, das bislang illegale Online-Zocken zu kontrollieren und Spieler besser zu schützen. Dae-In Chang ist Oberarzt in der Abteilung für Suchtmedizin am LWL-Universitätsklinikum in Bochum und leitet eine Spezialsprechstunde für Glücksspielsüchtige. Im Interview mit westfalenspiegel.de spricht er über die Gefahr des Online-Spiels.
Herr Chang, wie verbreitet ist die Sucht nach Online-Glücksspielen?
Ein hoher Anteil der Patienten in unserer Sprechstunde hat Probleme mit Glücksspielen oder Sportwetten im Internet. Diese Angebote spielen sich in einer rechtlichen Grauzone ab, sind aber leicht online verfügbar, so dass per Handy jederzeit um Geld gespielt werden kann. Die Frage, ob solche Spiele legal oder illegal sind, spielt für die Süchtigen meist keine Rolle.
Was macht das Online-Glücksspiel so gefährlich?
Wer vom klassischen Automatenspiel oder auch von Poker abhängig ist, muss sich auf den Weg in eine Spielhalle oder in ein Casino machen, um zu spielen. Diese Hürde fällt beim Online-Spiel weg, es kann ohne eine Beschränkung durch Öffnungszeiten an jedem Ort per Handy konsumiert werden. Selbst wenn Patienten die entsprechende App löschen, können sie über den Internet-Browser weiterspielen. Das macht es für Betroffene sehr schwierig, das Glücksspiel zu vermeiden.
Wann wird das Spiel zur Sucht?
Es gibt beispielsweise fußballbegeisterte Patienten, die über Wetten im Freundeskreis in das Online-Wettgeschäft gerutscht sind. Durch Erfolgserlebnisse zu Beginn werden sie angefixt und geraten immer stärker in eine Abhängigkeit. Der Spaß am Fußball spielt dann praktisch keine Rolle mehr, schließlich geht es nur noch um Spielergebnisse und Statistiken. Häufig kommen an diesem Punkt Spielschulden hinzu, so dass ein großer Leidensdruck entsteht.
Wie können Betroffene den Ausstieg schaffen?
Den Patienten in der Ambulanz bieten wir eine breite therapeutische Unterstützung an, und vermitteln unter anderem auch zu Selbsthilfegruppen und Schuldnerberatung. Hier ist es auch wichtig, Familienangehörige oder Vertrauenspersonen einzubinden. Dadurch fühlen sich Betroffene in der Regel schon gut unterstützt und aufgefangen. Eine Herausforderung ist es für sie dennoch, das Angebot der Online-Glücksspiele und Wetten zu vermeiden. Einige Patienten steigen daher wieder auf ein altes analoges Handy um, so dass sie keine Möglichkeit mehr haben, über diesen Weg zu spielen.
Können zeitliche und finanzielle Limits eine Abhängigkeit verhindern?
Unsere Erfahrung zeigt leider, dass Einschränkungen häufig von den Betroffenen umgangen werden können. Das monatliche finanzielle Limit von 1000 Euro, das das Gesetz vorsieht, kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Wichtig wird weiterhin auch die Präventionsarbeit sein, um Menschen vor einer Abhängigkeit zu schützen. Hier sollte es nicht nur bei oberflächlichen Warnhinweisen bleiben, vielmehr sollten Hilfen für Betroffene in Suchtberatung, Selbsthilfegruppen oder ambulanten Sprechstunden, so wie wir sie am LWL-Klinikum in Bochum anbieten, weiter ausgebaut werden.
Interview: Annette Kiehl / wsp