Dieser Portugalfan war in Gelsenkirchen offensichtlich glücklich. Foto: Stadt Gelsenkirchen.
03.07.2024

Liebe auf den zweiten Blick

Nur noch sieben Spiele stehen bei der Fußball-Europameisterschaft auf dem Spielplan. Zeit für ein erstes westfälisches Fazit und die Erkenntnis: England hat Gelsenkirchen doch noch lieb.

Die Stimmungslage in den unmittelbar an der Fußball-Europameisterschaft beteiligten Städten ist sehr unterschiedlich. Während Iserlohn bereits die ausgeschiedenen Italiener verabschiedet und Gelsenkirchen ein Fazit seiner vier EM-Spiele gezogen hat, freut sich Dortmund auf das Halbfinale in der kommenden Woche. Auch Bad Lippspringe, das die Franzosen zu Gast hat, und Marienfeld, das die Portugiesen beherbergt, sind noch bei der EM dabei.

In Gelsenkirchen fiel das Fazit positiv aus. Man blicke auf eine erfolgreiche Zeit als „Host City“ zurück, heißt es von der Stadt. Vier Spieltage, sieben Nationalmannschaften, 200.000 Fans auf den Stadionrängen und viele tausend weitere Besucherinnen und Besucher seien in den vergangenen Wochen in Gelsenkirchen gewesen.

Imagegewinn für die Gastgeberstädte?

Knapp 20 Millionen Euro hat die Stadt in die Hand genommen, um sich der (Fußball-) Welt von ihrer besten Seite zu zeigen. Ob das Geld gut investiert ist, bleibt abzuwarten. Zunächst, beim ersten Spiel in der Schalke-Arena zwischen Serbien und England, hagelte es jedenfalls Kritik und negative Stimmen. Ein englischer Reporter sprach eine Art Reisewarnung aus, weil es in Gelsenkirchen nichts Attraktives zu sehen gebe, und Paul Brown, Video-Blogger und Fan der englischen Nationalmannschaft, bezeichnete die Stadt gar als „absolute shithole“, also als richtiges Drecksloch. Und auch der englische Fanverband war über die Organisation rund um das erste Gruppenspiel „not amused“. Dort haperte es vor allem bei der Abreise der Fans per Bus und Bahn. Manch ein Anhänger der „Three Lions“ musste drei Stunden warten, ehe er eine der überfüllten Bahnen erwischte.

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Alles halb so wild, heißt es zum Fazit von der Pressestelle der Stadt Gelsenkirchen. Paul Brown habe seine Einschätzung längst zurückgenommen und unter anderem an einer Stadtführung teilgenommen. Nachdem England in Gelsenkirchen den Einzug ins Viertelfinale geschafft hat, schrieb Brown gar: „Englandfans feiern die Nacht durch in ,Sh*thole of Gelsenkirchen’ …. Vielleicht der beste Platz für Englandfans, um zu feiern … Ich liebe diese Stadt“. Und auch der englische Fanverband hatte nach dem Achtelfinale lobende Worte für die Organisation.

Gelsenkirchen hat nachgebessert

Man habe die Startschwierigkeiten rund um das erste Spiel schnell in den Griff bekommen, sagte auch Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge: „Selbstverständlich kann bei einem solchen Großereignis nicht von Beginn an alles glatt laufen. Das ist in Gelsenkirchen nicht anders als in München, Stuttgart oder Dortmund. Aber wir haben die Probleme rasch erkannt und sofort gegengesteuert. Das war hervorragende Arbeit. Wir haben ein tolles Turnier auf die Beine gestellt und uns als Gelsenkirchen so präsentiert, wie wir sind – weltoffen, herzlich und gastfreundlich. Ich bin froh und stolz und dankbar.“

Auch die Polizei zieht ein positives Fazit. Sowohl im Rückblick auf das Achtelfinale als auch auf die anderen vorangegangen Spiele in Gelsenkirchen. „Es war über weite Strecken ein friedliches und tolles Fußball-Fest an den Spieltagen in unserer Stadt. Das ist das, was wir uns im Vorfeld gewünscht haben und dafür möchte ich mich im Namen der Polizei nochmals bei allen Fans bedanken“, so Gelsenkirchens Leitender Polizeidirektor Peter Both.

Georgische Fans feiern vor dem Spiel ihrer Mannschaft gegen Portugal in Gelsenkirchens Innenstadt. Foto: Stadt Gelsenkirchen

Georgische Fans feiern vor dem Spiel ihrer Mannschaft gegen Portugal in Gelsenkirchens Innenstadt. Foto: Stadt Gelsenkirchen

Mannschaften und Fans haben sich aus Gelsenkirchen verabschiedet. Die Fan Zone im Nordsternpark und das Public Viewing im Amphitheater bleiben aber noch bis zum Finale am 14. Juli geöffnet. Ein paar Kilometer weiter westlich freut sich Dortmund auf eine weitere Begegnung. Nachdem die deutsche Fußballnationalmannschaft Stadion des BVB den Einzug ins Viertelfinale perfekt gemacht hat, soll es in der kommenden Woche ein weiteres Fußballfest geben.

Iserlohn verabschiedet die Italiener

Drei Gastgeberstädte in Westfalen haben ihre Teams schon wieder verabschiedet. Albanien ist nach der Vorrunde aus Kamen abgereist, die Slowenen aus Sprockhövel und die Italiener mussten nach dem Achtelfinalaus gegen die Schweiz in Iserlohn ihre Kofferpacken. Dort sind die Organisatoren mit ihrer Gastgeberrolle mehr als zufrieden. Zumal sie schon weitere Früchte trägt. Denn ab dem 20. Juli will der OSC Lille aus der ersten französischen Liga plant ein fünftägiges Trainingslager am Hemberg aufschlagen. „Das ist genau die Nachhaltigkeit, die wir uns im Vorfeld als Ziel gesetzt haben. Gleichzeitig ist es auch eine schöne Bestätigung für die geleistete Arbeit“, sagt Christian Kißmer, der Leiter des Iserlohner Sportbüros.

4.000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Hemberg-Stadion freuten sich auf das einzige öffentliche Training der Squadra Azzurra. Foto: Stadt Iserlohn/Echtermann

4.000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Hemberg-Stadion freuten sich auf das einzige öffentliche Training der Squadra Azzurra. Foto: Stadt Iserlohn/Echtermann

Bad Lippspringe und Marienfeld dürfen ihre Gastgeberrolle noch weiter ausfüllen. Dort sind die Franzosen und die Portugiesen zu Gast. In beiden Städten sollten aber schon mal die Taschentücher für den Abschied bereitgelegt werden. Frankreich und Portugal treffen am Freitag (5.7.) im Viertelfinale aufeinander.

jüb, wsp

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