"Europa – und wenn ja, wie viele?" – Mit diesem Programm kommen Onkel Fisch nach Münster. Foto: Rainer Holz
18.04.2019

„Seid mehr westfälischer Bauer“

Europawahl-Serie: Ob man sich über Europa lustig machen darf, haben Adrian Engels und Markus Riedinger im Interview mit westfalenspiegel.de verraten. Die beiden sind „Onkel Fisch“, ein mehrfach ausgezeichnetes Kabarett-Duo. Das Programm, mit dem sie nach Münster kommen, heißt „Europa – und wenn ja, wie viele?“.

Vorab eine kleine Bemerkung: Onkel Fisch waren im Gespräch sofort beim „Du“. „Wir machen ja was mit Medien – und da duzt man sich“, so die beiden Kabarettisten. Da auch wir bei westfalenspiegel.de „was mit Medien machen“, haben wir uns selbstverständlich darauf eingelassen. Ein Duz-Gespräch über Europa mit zwei „ziemlich besten Brüsselverstehern“.  

Darf man über Europa Witze machen?
Engels: Unbedingt. Man muss sogar (lacht). Das, was momentan alles in Europa passiert – die Aufregung, der Wahnsinn, die Emotionen  –, das macht vielen Menschen Angst und Sorge. Witze machen und Humor sind da eine wertvolle Strategie, um damit umgehen zu können. Auch damit man nicht verrückt wird und die Angst nicht gewinnt.

Das Programm heißt „Europa – und wenn ja, wie viele?“. Worum geht es?
Riedinger: Die Fragen, die sich für Europa stellen, sind ja: Wer macht noch mit? Wer möchte noch mitmachen? Und sollen wir da mitmachen? Was genau ist Europa und die europäische Identität? Diese Fragen versuchen wir humoristisch auf der Bühne zu beantworten. 

Mit eurem eigenen Stil, dem Action-Kabarett. Was ist das?
Riedinger: Wir machen zwar Kabarett, aber wir haben ganz große Probleme, still zu stehen. Wir müssen also zwischendurch mal rappen, wir spielen Filmszenen und wir tanzen auch mal Europa an.
Engels: Genau, wir sind die einzigen Kabarettisten Deutschlands, die Europa auf der Bühne ertanzen. Wir nähern uns dem Thema aus vielen verschiedenen Blickwinkeln. De facto machen wir eine Standortanalyse für Europa mit der großen Problematik, dass der Standort nicht ganz klar ist. 

Zumindest der Standort Münster ist zu verorten: Münster liegt in Westfalen und damit im Herzen Europas, ist euch das bewusst?
Riedinger: Ja, das ist so eine Sache. Das Herz Europas ist groß und hat eine Menge Kammern. Münster ist bestimmt auch eine. Da bin ich mir sehr sicher. Wenn es um die Frage nach dem Zentrum oder der Mitte Europas geht, dann gibt es da sehr viele Kandidaten. Das muss man mal googeln, was man da alles findet. Allein darüber könnte man tagelang reden. Ach, Europa, es ist so viel.

Sind Westfalen geeignete Europäer?
Engels: Absolut geeignet. Westfalen sind, auch wenn sie das selbst vielleicht gar nicht so sehen, doch sehr offen. Münster zum Beispiel ist doch eine ruhige und offene Stadt, in der man für Europa sicher ein Ohr hat.
Riedinger: Das Klischee sagt ja immer: Der Westfale ist ein ruhiger und entspannter Typ. Die Gelassenheit ist, glaube ich, etwas, was man Europa im Moment nur dringend anraten kann. Man möchte Europa förmlich zurufen: Seid mehr westfälischer Bauer.
Engels: Genau, mehr Schinkenbrot.

Zurück zu Europa und eurem Programm, wie nehmt ihr Europa aufs Korn?
Engels: Wir spielen die Brexit-Situation zum Beispiel als Szene der Pirates of the Caribbean nach. Wir erklären den Katalonien-Konflikt mit Hilfe des Stierkampfes. Wir beschäftigen uns aber auch mit den ganzen Steuerskandalen und wir machen eine Analyse der populistischen Bewegungen in Europa mit unserer eigenen Sendung „Hart aber fair – peilt“.

Wie oft habt Ihr die Gags zum Brexit schon umgeschrieben?
Engels: Lustigerweise gar nicht, weil die Briten sich ja nicht entscheiden können (beide lachen).

Also ist die Situation für euch eher günstig?
Riedinger: Ja, das kann man so sagen. Wir sind quasi Krisengewinnler. Das Chaos ist für uns natürlich ein gefundenes Fressen. Da sind dann aber auch zwei Seelen in einer Brust. Zum einen sagst du: fantastisch, toll, ich darf immer wieder diese Witze machen, weil die Leute einfach nicht dazulernen. Auf der anderen Seite leidet man als Europäer und sagt sich: Mensch, wir wollen nicht zurück zum nationalistischen Einzelkämpfertum. Wir wollen nicht, dass es wieder wichtig wird, welcher Nationalität man in Europa angehört. Deshalb sagen wir den Leuten auch: Kämpft dafür, dass diese Zeiten nicht wiederkommen. 

Und das ist die Botschaft eures Programms?
Engels: Ja, auf eine humoristische Art vermitteln wir das. Wir waren ja sogar zu einer Recherchereise in Brüssel und haben uns dort mehrere Tage umgesehen. Wir haben Entscheidern über die Schulter gesehen und mit Beamten gesprochen. Und wir haben das Parlament gesehen. 

So seid ihr also zu den „ziemlich besten Brüsselverstehern“ geworden, wie es in der Ankündigung zum Programm heißt?
Engels: Ja, genau. Wenn man sieht, wie man es in Brüssel schafft, 28 Nationen immer wieder zu Kompromissen zu bewegen, dann ist das wahnsinnig spannend und beeindruckend. Dass so etwas Unglaubliches wie Europa möglich ist und auch nur im Ansatz funktioniert, ist ja fast unvorstellbar.
Riedinger: Auch wenn man sieht, wie viel Herzblut die Beamten dort in dieses Europa stecken, wie sie immer wieder von Neuem an Kompromissen arbeiten. Das hat uns schon sehr beeindruckt. 

Wie hält man es als ziemlich beste Brüsselversteher aus?
Engels: Man muss in erster Linie ruhig sein und sich nicht verrückt machen lassen. Locker in die Hose atmen.

Europa hat es im Moment nicht ganz so leicht – ist Europa noch zu retten?
Engels: Absolut. Die gute Nachricht ist ja: Populisten sind in den überwiegenden Teilen Europas nicht an der Macht. Europa ist außerdem so etwas Tolles und in so mühevoller Arbeit über Jahre hinweg aufgebaut worden, das will man doch nicht zerstören. Es vergeht wohl auch kein Tag, an dem ein vernünftiger Brite den Brexit-Schritt nicht bereut. Im Übrigen ist sich der Rest Europas sicher einig, dass er das, was da gerade in Großbritannien abläuft, nicht haben möchte.

Interview: Jürgen Bröker

Onkel Fisch sind am Freitag, 03. Mai, in Münster zu sehen. Mit dem Programm „Europa – und wenn ja, wie viele?“ kommen die beiden im Bürgerhaus Bennohaus auf die Bühne. Hier geht es zur Website von Onkel Fisch.

Dieser Beitrag ist Teil unserer Serie Westfalen wählt Europa.

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